zum Hauptinhalt

CITY Lights: Auch Jesus war Dissident

Manchen gilt er als der große Verkannte der jüngeren deutschen Filmgeschichte, für andere war er ein handwerklich begabter Populist. Immerhin – die Filme von Roland Klick haben es geschafft, die Öffentlichkeit bis heute zu polarisieren.

Zu den Followern gehören die Betreiber der Tilsiter Lichtspiele in Friedrichshain, wo Klicks Werk derzeit zum wiederholten Mal in einer umfassenden Reihe programmiert ist. Mit dabei (heute abend in Anwesenheit des Regisseurs) Klicks damals begeistert aufgenommenes Debüt Bübchen von 1969, das hinter seinem niedlichen Titel einen Familienthriller verbirgt, der verwandtschaftliche Beziehungen in unerwartete Richtung nahelegt – zu Michael Haneke, dessen filmischen Forschungen zur ,Vergletscherung der Gefühle’ Klick mit der nüchtern präzisen Bestandsaufnahme deutschen Kleinbürgerhorrors der sechziger Jahre vorgriff. Der machistische Gangster-Western Deadlock (Freitag, Montag und Mittwoch), den Klick 1970 folgen ließ, spielt genregemäß in der mexikanischen Sierra, gedreht wurde er in der NegevWüste unter dem Schutz der israelischen Armee, die das Gebiet seit dem Sechstagekrieg 1967 beherrschte.

Drei Jahre zuvor hatte Pier Paolo Pasolini für Il Vangelo secondo Matteo Jerusalemer Tempelarchitektur und bethlehemitische Hütten, Genezareth und Golgatha nach Süditalien verlegt. Auch viele der Laiendarsteller kamen aus der Region, die junge Maria ist eine trotzig dreinschauende Bauernschönheit, die alte gab seine Mutter Susanna. Zu sehen sind auch die Schriftstellerin Natalia Ginzburg und der später in Mode gekommene Philosoph Giorgio Agamben als Apostel Philippus in seiner wohl einzigen Filmrolle. In einem kleinen Nebenpart als Hirte ist auch Pasolinis späterer Lieblingsdarsteller Ninetto Davoli zum ersten Mal dabei. Der Film, der heute abend im Rahmen der Pasolini-Ausstellung im Literaturhaus gezeigt wird, besticht auch heute noch durch die fast wahnhafte Radikalität, mit der sich die Inszenierung der christlichen Botschaft und ihrem Verkünder hingibt. Dass der frommste aller Jesus-Filme ausgerechnet von einem atheistischen Häretiker kommt, mag nur auf den ersten Blick überraschen. Schließlich war Jesus selbst Dissident.

Mit seiner kritischen Position zur israelischen Politik hat sich auch der Filmemacher Avi Mograbi viele Feinde in seinem Land gemacht. Seit zwei Jahrzehnten verhandelt er auf engagierter Außenseiterposition in seinen auch formal höchst reflektierten Arbeiten israelische Gegenwart und Vergangenheit. Am Sonntag wird der streitbare Künstler für sein Werk in der Akademie der Künste mit dem Konrad-Wolf-Preis ausgezeichnet (die Laudatio spricht Jutta Brückner), danach wird Mograbis jüngster Film Z 32 seine deutsche Premiere haben.

Z 32 ist die Archivnummer des Aussageprotokolls eines israelischen Elitesoldaten, der sich der Teilnahme an Mordkommandos gegen Palästinenser bezichtigt. Seine Aussage steht im Mittelpunkt des Films, dabei hat Mograbi dem Mann zum Schutz vor Racheakten eine digitale Maske verpasst, die nur Augen und Mund frei lässt. Kann das filmisch funktionieren? Und wichtiger: Ist es nicht unmoralisch, einen Mörder zu decken statt anzuzeigen? Wie es Morabi gelingt, diese Fragen im Film mitzudenken, das macht „Z 32“ zu einem großen Film.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false