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CITY Lights: Böse Buben

Silvia Hallensleben sucht im Kino die große Oper

Während die Avantgarde die filmische Kopfnote zum 68er-Aufbegehren lieferte, kam die Herznote aus populärerer Provenienz. Seit Mitte der Sechziger hatten Italo-Western der heranwachsenden Generation den Übergang vom kindlichen Winnetou-Idealimus zu anderen Kunstgenüssen geglättet. Noch bis in die Siebziger war es die Ikonografie der Filme von Corbuccci & Co, die vielen zum Leitbild diente: Die lakonische Coolness der Anti-Helden und ihr unverstellter Machismo ließen die Jungmänner nachts im Billig-Kino mit gutem Gewissen von den Ansprüchen der Frauenbewegung regredieren. Grandioser Höhepunkt war Sergio Leones C'era una volta il West von 1968, der am Montag in der Originalversion im Arsenal 2 zu sehen ist.

Als „Pferdeoper“ wurde der Film bezeichnet wegen des von Ennio Morricone opulent hingeschmalzten Soundtracks. Wenn John S. Robertsons Stummfilm Dr. Jekyll & Mr. Hyde am Mittwoch im Babylon-Mitte aufgeführt wird, ist auch das Musiktheater: Der Sound kommt live vom Devil Music Ensemble, das sich mit Stummfilmbegleitungen einen Namen gemacht hat. Die bewegten Bilder dazu sind fast so statisch wie die Illustrationen auf den Zwischentiteln. Und auch der Schauspielstil der Darsteller (allen voran John Barrymore in der doppelten Titelrolle) kommt von der Bühne. Barrymores Hin- und Her-Verwandlung vom idealistischen Gutmenschen in den nächtlichen Unhold ist heftig überzeichnet, doch deswegen kein bisschen weniger anrührend.

Auch in Viscontis Die Verdammten (am Samstag im Zeughaus-Kino) geht es um die allesverschlingende Macht des Bösen. Der Film um den Abstieg einer deutschen Stahl-Industriellenfamilie während der frühen Nazijahre war 1969 umstritten, nicht nur wegen allzu freien Umgang mit der historischer Wahrheit. Die 40 Jahre seitdem haben wenig geholfen, im Gegenteil, manches scheint heute nur noch Klischee: Der Kurzschluss zwischen Mutterhass, Perversion und politischer Dekadenz, die sexuellen Verruchtheiten, oder die in Dialogform gegossenen Erklärungen politischer Zusammenhänge. Was bleibt? Helmut Berger in der Rolle, die ihn berühmt machen sollte. Ingrid Thulin als eiskalt lächelnde Domina. Und eine ganz junge und sehr verführerische Charlotte Rampling. Leider nur kurz: Sie ist einfach zu gut für den Film.

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