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CITY Lights: Der argentinische Kaurismäki

Die erste Umfrage nach dem besten Film aller Zeiten ist erstaunlich spät durchgeführt worden: 1952 wurden die Gäste eines belgischen Filmfestivals um ihr Expertenurteil gebeten; gleich darauf erstellte das britische Magazin Sight & Sound seine Bestenliste. Bedenklich war von Anfang an, dass es nur um die Erstellung eines westlichen Kanons ging.

Die erste Umfrage nach dem besten Film aller Zeiten ist erstaunlich spät durchgeführt worden: 1952 wurden die Gäste eines belgischen Filmfestivals um ihr Expertenurteil gebeten; gleich darauf erstellte das britische Magazin Sight & Sound seine Bestenliste. Bedenklich war von Anfang an, dass es nur um die Erstellung eines westlichen Kanons ging. Erst zum 50. Jahrestag der 1952er-Umfrage hat die Sight & Sound-Redaktion Experten aus Taiwan, Südafrika, Ägypten und Argentinien angehört. Und siehe da, es wurden Titel genannt, die dem westlichen Cineasten unbekannt und nie in Cannes oder Venedig gelaufen sind.

Für westliche Filmemacher ist die Dritte Welt ein beliebter Drehort. Einheimische werden gern als Komparsen oder Regieassistenten beschäftigt, doch eine eigene nationale Filmproduktion kommt so nicht zustande. Diese zu fördern, ist das Ziel des World Cinema Fund, dessen fünfjähriges Bestehen in den Hackeschen Höfen gefeiert wird. Bis zum Sonnabend sind drei Filme pro Tag zu sehen, fast alle in Anwesenheit der Regisseure und Produzenten. Aus Mali kommt Faro – Göttin des Wassers (heute 5. 11. 18 Uhr), in dem Salif Traoré einen jungen Mann porträtiert, der als unehelicher Junge aus seinem Dorf vertrieben wurde und zurückkehrt, um seinen Vater zu finden. An den Krieg der USA gegen die Philippinen (1899-1902), dem 20 Prozent der Bevölkerung zum Opfer fielen, erinnert Raya Martins Independencia (20 Uhr). Lisandro Alonzos Liverpool (22 Uhr) ist ein argentinischer Film mit Kaurismäki-Touch: Ein älterer Seemann, schweigsam und nie ohne eine Flasche Wodka im Gepäck, will endlich sesshaft werden und sucht auf, was von seiner Familie noch übrig ist. Seine Eltern und seine Tochter sind genauso schweigsam wie er, es entsteht keine Nähe, und er fällt wiederholt in tiefen Alkoholschlaf.

Am Freitag geht es weiter mit einem Beitrag aus Paraguay: Hamaca von Paz Encina (18 Uhr) beobachtet ein altes Paar beim Warten – auf den Sohn, der in den Krieg gezogen ist, auf Regen und auf Wind. Ciro Guerras The Wind Journeys (20 Uhr) erzählt die tragikomische Geschichte eines Musikers, der sich nach dem Tod seiner Frau von seinem Akkordeon trennen will. Aber er wird es nicht los; immer wieder lässt er sich überreden, ein letztes Mal zu spielen. Ein israelisch-palästinensisches Projekt, Yaron Shanis und Scanda Coptis Ajami (22 Uhr), steht in der Tradition des – neben Claudia Llosas gerade regulär anlaufendem Berlinale-Gewinner „Eine Perle Ewigkeit“ – berühmtesten Films der Reihe, dem Selbstmordattentäter-Porträt Paradise Now (Sonnabend 18 Uhr).

Die letzten zwei Beiträge haben nichts Exotisches an sich und laden den Großstadtzuschauer zur Identifikation ein: Yesim Ustaoglus Pandora''s Box (20 Uhr) handelt von einer verwirrten Frau in der Türkei, deren Yuppie-Verwandte keine Zeit für sie haben. Der brasilianische Regisseur Kiko Goifman beschäftigt sich in Filme Fobia (22 Uhr) mit der Angst vor Schlangen und Ratten, dem Tod und der Penetration – allerdings auch mit weniger nachvollziehbaren Ängsten. Wer hätte gedacht, dass es Menschen gibt, die beim Anblick eines Clowns zu zittern anfangen? Und die sogar Angst vor Knöpfen haben?

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