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CITY Lights: Der Weg ist das Ziel

Frank Noack untersucht Varianten des Road Movies.

Filme, die ausschließlich von Frauen bevölkert werden, spielen entweder im Knast oder im Kloster. Andere männerfreie Zonen scheint es nicht zu geben, jedenfalls nicht im Rahmen einer realistischen Erzählung. Die berühmteste Ausnahme, George Cukors Komödienklassiker „The Women“, bestätigt die Regel: Die Abwesenheit von Männern wirkt konstruiert; sie ist ein Kunstgriff, ein visueller Gag. Also gibt es für Frauen nur Knast, Kloster und Kunstwelt? Muss nicht sein. William A. Wellmans Karawane der Frauen (1951) ist ein Western mit einer realistischen Grundsituation und einer ebenso realistischen Umsetzung, in Schwarz-weiß und ohne Musik. (Dienstag im Arsenal). Die Männer, die den wilden Westen erobert haben, fühlen sich einsam; außerdem muss der Mensch sich vermehren. Deshalb machen sich 140 Frauen auf den Weg durch die Wüste, unbeirrt von schlechtem Wetter und Indianerpfeilen. Die wenigen Männer, die den Treck begleiten, fallen kaum auf, und den Anführer verkörpert Robert Taylor sehr zurückhaltend. Erstaunlich für einen Film aus den restaurativen fünfziger Jahren ist die zunehmende Härte der Frauen. Am Ziel angekommen, sehen die wenigsten von ihnen so aus, als wollten sie fortan nur noch am Herd stehen. Die Männer, die mit ihnen vor den Traualtar treten, werden garantiert nichts zu lachen haben.

Für den umgekehrten Weg, den Weg nach Osten, entscheidet sich die Heldin von Grigori Alexandrows Zirkus (1936). Sie ist Amerikanerin, verliebt sich jedoch während eines Moskau-Gastspiels in einen sowjetischen Ingenieur und möchte bei ihm bleiben (Freitag im Kino Krokodil). Alexandrow war der beste Freund und Assistent von Sergej M. Eisenstein und hatte ihn nach Berlin, Hollywood und Mexiko begleitet. Zurück in Moskau, überholte er seinen Meister auf der Karriereleiter. Während Eisenstein jahrelang keinen Film realisieren konnte, hatte Alexandrow Erfolg mit volkstümlichen musikalischen Komödien, die dem Diktator Stalin besser gefielen als Eisensteins formale Experimente. In „Zirkus“ konnte er mit leichter Hand ein Thema behandeln, das im westlichen Ausland völlig tabuisiert wurde: Die Artistin Marion hat ein schwarzes Kind. Ihr Manager will sie damit erpressen und zur Rückkehr in den Westen zwingen. Der Film lässt keinen Zweifel daran, dass ihr Kind in der Sowjetunion frei von Diskriminierung leben könnte.

Junkies und Kleinkriminelle sind ständig unterwegs, auf der Flucht vor der Polizei und auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Ein Film, der in diesem Milieu spielt, ist zwangsläufig ein Road Movie. Gus Van Sants Drugstore Cowboy (1989) beschreibt darüber hinaus eine Reise durch das menschliche Gehirn. Der Regisseur suchte nach neuen, unverbrauchten Bildern für einen Drogentrip (Dienstag im Babylon Mitte). Ganz nebenbei verhalf er dem Teenieschwarm Matt Dillon zu seinem Durchbruch als Charakterdarsteller. Van Sant verurteilt seine Protagonisten nicht, im Gegenteil: William S. Burroughs, der große alte Mann der US-Drogenkultur, absolviert einen Gastauftritt, der sich im Kontext des Films wie ein Papstbesuch ausnimmt.

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