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CITY Lights: Jemand noch ins Eis?

Silvia Hallensleben besucht die Inuit und andere Weltprovinzler

Sechs Jahre ist es erst her, da zauberte ein aufsehenerregendes Filmdebüt ein neues Land ins Kinogänger-Universum. „Atanarjuat – The Fast Runner“ war nicht nur eine überwältigende Kinoerfahrung, geboren aus Licht und Eisweiten, familiärer Enge, Gewalt, Hunger, Liebe, Tradition und Mythos. Das in Cannes prämierte Werk von Norman Cohn und Zacharias Kunuk gilt auch als erster Spielfilm, der von den kanadischen Inuit, unter denen er spielt, selbst geschrieben, inszeniert und produziert worden ist.

Fernsehfilme und Dokumentationen aus eigener Produktion allerdings hatte es auch vorher gegeben. 1990 schon hatten Kunuk und Cohn gemeinsam mit zwei anderen engagierten Filmemachern unter dem Namen „Igloolik Isuma Productions“ in der 1500-Einwohner-Stadt Iglulik eine genossenschaftlich unabhängige Filmproduktion gegründet, um die Überlebensfähigkeit der Inuit ökonomisch und kulturell zu stärken. So entstand 1994/95 eine Doku-Soap, die in dreizehn Teilen das traditionelle Leben mehrerer kanadischer Inuit-Familien in den vierziger und fünfziger Jahren vorführt und nun im Rahmen der Maple Movies on Tour (wie auch „Atanarjuat“ heute Abend) im Arsenal präsentiert wird (ab Dienstag an drei Abenden).

Der programmatische Titel Nunavut, der in der Landessprache Inuktitut „unser Land“ bedeutet und seit 1999 auch das von der kanadischen Regierung zugestandene autonome Territorium benennt, unterstreicht dabei den identitätsstiftenden und kulturpatriotischen Anspruch des Unternehmens. Doch vor allem war die Serie eine überfällige Antwort auf Robert Flahertys legendären „Nanook of the North“, der 1922 – allerdings mit dem Blick von außen – ein ähnliches Projekt betrieb und den Eskimo-Jäger Nanuk zum ersten populären Dokumentarfilmhelden der Filmgeschichte machte. Trotz unterschiedlicher Perspektive überwiegen die Parallelen: Wie Flaherty lässt „Nunavut“ das authentische Leben seiner Helden von Laiendarstellern in fiktionalisierter Form vorführen. Wie damals ging es auch in den neunziger Jahren darum, den vom Untergang bedrohten Zivilisationstechniken wie Iglubauen und Robbenspeerwerfen zumindest filmisches Überleben zu sichern.

Eine andere, bis auf bescheidene Reservate – im Sport und im Kino – vom Aussterben bedrohte Kulturtechnik ist der Kampf Mann gegen Mann mit Degen und Florett. Einer ihrer Meister (leider gibt es keine angemessene Übersetzung für das schöne Wort „swashbuckler“) war Douglas Fairbanks, sei es im Kostüm von Zorro oder Robin Hood, als schwarzer Pirat oder D’Artagnan. Als Fred Niblos Die drei Musketiere 1921 ins Kino kam, stand Fairbanks als Schauspieler und Produzent gerade auf dem Zenit seiner Karriere, war aber schon reife 38 Jahre alt. Das mag man kaum glauben, wenn man ihn als armrudernden Provinzparzival mit kindlichem Ungestüm über einen Set toben sieht, der mit vielen schön komponierten Totalen und ausgefeilten Komparserien einen passenden Rahmen setzt. Und die pagenartige Vokuhila-Frisur weckt Assoziationen zu einem ähnlich begnadeten Star des körperlichen Kinos: Douglas Fairbanks ist der einzig würdige Jackie-Chan-Vorläufer! Am Dienstag im Babylon-Mitte begleitet Carsten-Stephan Graf von Bothmer seine Luftsprünge live am Flügel.

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