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CITY Lights: Jogger und Jäger

Frank Noack besichtigt historische Fress-, Fitness- und FKK-Filme

Hinterher ist man immer klüger. Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus wurde dessen Vorgeschichte ergründet – und auf diesem Wege stellte man fest, dass es präfaschistische Filme gegeben hat. Gemeint waren damit vor allem die militaristischen Spektakel um Friedrich den Großen, aber auch Wilhelm Pragers Kulturfilm Wege zu Kraft und Schönheit (1925) geriet nachträglich unter Faschismusverdacht. Aus heutiger Sicht handelt es sich um einen liebenswert verklemmten, zwanghaft geschmackvollen FKKFilm. Er klärt das Publikum mit wissenschaftlichem Ernst über Körperhygiene, Gymnastik und Tanz im alten Rom auf, was natürlich nur als Vorwand dient, wohlgeformte Körper zu präsentieren. „So wuschen sich die alten Römerinnen“ wäre ein passenderer Titel gewesen (morgen und Sonntag im Zeughauskino). Die Männer sind bevorzugt beim Kampfsport zu sehen, die Frauen im Bad oder beim textilfreien Blümchenpflücken in freier Natur. Unter den halbnackten Schönheiten erkennt man La Jana und Leni Riefenstahl, zwei Frauen, die ihre Tanzausbildung bei Mary Wigman absolvierten und ihren Durchbruch in der NS-Zeit erlangen sollten. Initiator des Projekts war übrigens der Kommunist und Abtreibungsbefürworter Friedrich Wolf, wodurch es schwerfällt, den Film ideologisch festzulegen. Ein Plädoyer für den gesunden Körper ist eben – im Gegenschluss – nicht zwangsläufig Euthanasiepropaganda.

Fit muss man sein, um in einem Runmovie die Hauptrolle zu spielen. Runmovie? Das ist eine Variante des Roadmovie, in der die Beine das Auto ersetzen. Das Zeughauskino widmet dem Subgenre eine Filmreihe, zu der selbstverständlich „Lola rennt“ gehört. Wie gut Cary Grant mit 60 Jahren rennen konnte, beweist die Komödie Nicht so schnell, mein Junge (Dienstag). Als britischer Geschäftsmann, der 1964 während der Olympischen Spiele in Tokio kein Hotelzimmer findet, zieht er in das Apartment einer hübschen Amerikanerin und quartiert ohne Absprache einen Olympiaathleten bei sich ein. Er leistet dem jungen Mann beim Joggen Gesellschaft, hält sich jedoch aus der unvermeidbaren Liebeshandlung heraus und gibt sich mit der Rolle des väterlichen Kupplers zufrieden. Im wahren Leben war Grant nicht so schüchtern: 1965 heiratete er die 27-jährige Schauspielerin Dyan Cannon. Dass er danach keine weiteren Filme mehr drehte, hatte bestimmt nichts mit Altersschwäche zu tun.

Ständig auf Trab ist Albert Finney in Tom Jones – zwischen Bett und Galgen (1963), Tony Richardsons Adaption von Henry Fieldings Schelmenroman (Freitag und Sonnabend im Filmkunst 66). Der deutsche Untertitel bringt auf den Punkt, was diesen jungen Mann auf Trab hält. Richardson setzt auf Tempo und drastische Effekte: sinnliches Schmatzen beim Verzehr von Hühnerkeulen, blutige Jagdpartien. Kritiker fühlten sich angesichts der derben Komik zu Wortspielen wie „rowdy, bawdy“ (Rowdy, unflätig) oder „brawling, sprawling“ (raufend, herumlümmelnd) animiert, und es gab vier Oscars, darunter den für den besten Film. Liebhaber des Romans werden dessen leisere, zärtliche Momente vermissen. Doch 128 Minuten können durchaus kürzer sein, als man vermutet – Richardson jedenfalls hat Fieldings Wälzer auf anregende Weise verdichtet.

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