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CITY Lights: Kennzeichen H NX D SW

Frank Noack vernimmt leise und laute Provokationen

In den letzten Wochen ist an mehrere ungeklärte Todesfälle erinnert worden: 10 Jahre Lady Di, 20 Jahre Uwe Barschel, 30 Jahre Stammheim. Sogar Klausjürgen Wussow wurde neu obduziert, um sicherzugehen, dass ihn niemand vergiftet hat. Bei Pier Paolo Pasolini steht immerhin die Todesursache fest: 1975 wurde er erschlagen und überfahren. Aber hat der Strichjunge Pino Pelosi die Tat wirklich allein begangen, oder diente er nur als Lockvogel? Als die Polizei ihn kurz nach der Tat festnahm, war seine Kleidung auffallend sauber. Und Pasolini hatte kurz vor seinem Tod angekündigt, er werde Korruptionsfälle aufdecken und Namen nennen. Oliver Stone hätte daraus einen paranoiden Verschwörungsthriller gemacht, sein italienischer Kollege Marco Tullio Giordana bevorzugt leise Töne: Pasolini: un delitto italiano (1995) und der thematisch verwandte I cento passi – Hundert Schritte (2000) behandeln reale politische Mordfälle sachlich und ohne Pathos. Dem 57-jährigen Regisseur ist eine kleine Werkschau im Babylon Mitte gewidmet, die am Dienstag eröffnet wird. Gezeigt wird sein neuester Film Quando sei nato non puoi piu nasconcerti, am Mittwoch folgt der Episodenfilm La domenica specialmente (1991), dessen Regie sich Giordana mit Giuseppe Tornatore und Giuseppe Bertolucci, Bernardos jüngerem Bruder, teilt. Weitere Giordana-Filme laufen in der kommenden Woche.

Pornografie ist jahrhundertelang nicht als politisch empfunden worden. Sie wurde von der Kirche geahndet, später priesen Freigeister ihr subversives Potenzial. Gegen diese Einschätzung erhob die Frauenbewegung Einspruch: Pornografie unterstütze patriarchale Machtverhältnisse. In der Tat ist sie all das: geschmacklos und delikat, erniedrigend und befreiend, reaktionär und subversiv, frauenfeindlich und frauenverherrlichend. Auf dem 2. Pornfilmfestival Berlin stammen 30 Prozent aller Beiträge von Frauen, das ist ein höherer Frauenanteil als auf der Berlinale. Aus Rücksicht auf Besucher, die bestimmte Praktiken auf keinen Fall sehen wollen, wurden die Filme nach ihrem sexuellen Gehalt gekennzeichnet. Wer es lieber nicht so deutlich mag, sollte auf das Kennzeichen NX achten, während X für explizite Sexszenen steht. Die erste Kroatin, die öffentlich über ihre Arbeit als Erotikdarstellerin gesprochen hat, steht im Mittelpunkt von Straight A’s (heute im Eiszeit), der mit H (hetero), X (explizit), D (Doku) und SW (Sexarbeit) gekennzeichnet wurde, ebenso wie Made in Serbia (heute und Sonntag im Eiszeit) über die serbische Pornoindustrie. Was in Israel los ist, verrät Too Hot in Tel Aviv (heute Neues Kant, Sonntag im Xenon), gekennzeichnet mit S (schwul) und X (explizit).

Lust auf Theorie? Auch die gehört zum Programm, mit Vorträgen über „ Körpermodifikation und Transgendersex“ (heute im Eiszeit) oder „Repräsentationen sozialer und politischer Tabus in der Pornografie: Der Mittlere Osten als Fallbeispiel“ (Freitag im Eiszeit). Wem das zu intellektuell ist, dem wird im Kompilationsfilm Triple X Selects – The Best of Lezsploitation (heute Neues Kant, Sonnabend im Xenon) echter Trash geboten, mit zügellosen Nonnen und scharfen Zuchthäuslerinnen. Informationen unter www.pornfilmfestivalberlin.de.

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