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CITY Lights: Moden und Moral

Frank Noack vergleicht Filme, die an die Nazizeit erinnern.

Filmemacher, die sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigen, können einem leidtun. Alle möglichen Regeln müssen sie befolgen. Und wenn sie die Regeln befolgt haben, wird ihnen Feigheit vorgeworfen. Vor 60 Jahren gab es dieses Problem noch nicht. Damals entstanden gleich drei große Holocaust-Filme: Die Polin Wanda Jakubowska drehte in Auschwitz, wo sie selbst interniert war, „Die letzte Etappe“; der Tscheche Alfred Radok verarbeitete in „Lange Reise“seine Erlebnisse in Theresienstadt, und in der Nähe von München tat sich der Deutsche Herbert B. Fredersdorf mit dem Polen Marek Goldstein für das Familiendrama Lang ist der Weg zusammen (Freitag im Arsenal).

Der Film erzählt vom Leidensweg einer polnisch-jüdischen Familie – vom August 1939, von der Ermordung des Vaters, dem Überleben des Sohns im Untergrund und seinen Versuch, nach Kriegsende die Mutter zu finden. Marek Goldstein befand sich in der paradoxen Situation, vor antisemitischen Pogromen ins Land der Täter fliehen zu müssen, aber er fand integre Mitarbeiter: Sein Co-Regisseur Fredersdorf und Nebendarsteller Otto Wernicke hatten zur NS-Zeit zu ihren jüdischen Ehefrauen gehalten und waren dafür aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen worden; Bettina Moissi, die Witwe des unlängst verstorbenen Kunstsammlers Heinz Berggruen, konnte als „Halbjüdin“ vor 1945 keine Filmrollen annehmen.

Dank ihrer Ehe mit einem Nichtjuden hatte auch Ida Ehre überlebt, die Gründerin der Hamburger Kammerspiele. In Hamburg fanden 1946/47 die Dreharbeiten zu Helmut Käutners In jenen Tagen statt (heute im Arsenal), mit Ida Ehre in der Rolle einer Jüdin, die am 9. November 1938 mit ihrem Ehemann Selbstmord begeht. Zur Besetzung gehören auch Bettina Moissi und Erwin Geschonneck. Die sieben Episoden wurden an ein Auto geknüpft, das ständig den Besitzer wechselt: So ist der Film also auch ein Road Movie. Ihm wurde später vorgeworfen, alle Figuren seien unpolitisch, selbst die Episode um den 20. Juli 1944 handle nur von Angehörigen der Attentäter, nicht von den Attentätern selbst.

Das Kino der Adenauer-Ära ist nicht gerade für seine Vergangenheitsbewältigung bekannt. Doch spät kritisierte es immerhin das Wirtschaftswunder – und in Kurt Hoffmanns Satire Wir Wunderkinder (1958) ist der von Robert Graf verkörperte Schurke Nazi, Wendehals und Kapitalist (Sonnabend im Arsenal). Sein anständiger Gegenspieler (Hansjörg Felmy) wird jedoch weder als Antinazi noch als Antikapitalist gezeichnet. Er ist bloß unpolitisch. Und das ist denn doch wieder sehr politisch.

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