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CITY Lights: O wie Orson

Silvia Hallensleben freut sich an Finten und Fälschungen.

Ein Picasso aus welcher Periode soll’s denn sein? Ein Modigliani-Porträt, das es eigentlich gar nicht gibt? Für eine Zeichnung braucht er ein paar Minuten. Nur bei Matisse muss sich Elmyr de Hory etwas mehr anstrengen. Der ebenso begnadete wie erfolgreiche Fälscher, der die westliche Welt von 1946 bis 1966 mit Hunderten nachgemachter Gemälde, Zeichnungen und Lithografien beglückte, ist auch heute noch ein lohnendes Objekt faszinierter Betrachtung. Zusätzlich illustriert das Schicksal des gescheiterten Léger-Schülers auch brillant die Fragen von Originalität und Markenfetischismus auf dem Kunstmarkt, der dem Fälscher jeden falschen Picasso begierig abgenommen hat, aber (jedenfalls zu Lebzeiten) kein einziges Bild unter eigenem Namen. Das änderte sich erst mit dem Nachruhm, als de Hory – als Fälscher! – selbst einen Namen hatte. Orson Welles Essayfilm Fake wie Fälschung (1973) widmet sich Horys Leben und seinem Biografen Clifford Irving, der wiederum mit einer gefälschten Hughes-Biografie berühmt wurde. Auch Welles’ Film selbst nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau und gibt sich als fintenreiche dokumentarische Dekonstruktion: Ein Fake-Doku aus vor-dokufiktionaler Zeit, als noch biedere Geradlinigkeit die Gefilde des Dokumentarfilms regierte, wohl nicht zufällig realisiert von dem Mann, der 1938 mit seinen legendären „War of the Worlds“-Hörspiel das Vorbild aller späteren sogenannten Mockumentaries gegeben hatte. Dass Welles seine langbeinige Geliebte Oja Kodar und sich selbst als Zaubermeister mit Schlapphut und Zigarre allzu eitel in den Vordergrund inszeniert, tut dem Spaß nur wenig Abbruch. Die BBC-Produktion steht Freitag und Sonnabend spät im Filmkunst 66 zusammen mit Lasse Hallströms Spielfilm The Hoax – Der große Bluff (2006) im Programm.

Viel analytischer als Welles’ Dokufiktion spielt Besprechung mit seinem dokumentarischen Material. Stefan Landorfs Film, der nach einigen Festivalvoraufführungen am Donnerstag in der Volksbühne Premiere feiert, beobachtet alltägliche Besprechungssituationen im dienstlichen Alltag und stellt ausgesuchte Ausschnitte davon mit Darstellern nach. Das Spektrum der Kommunikationssituationen reicht von der scheinbaren Lockerkeit in einer Werbeagentur bis zur rechtlich bindenden Beurteilung der Bewährungschancen eines Straftäters, besucht werden Finanzberater ebenso wie pädagogische und soziale Einrichtungen und das Militär. Wie Landorf berichtet, waren die Recherchen und das Bemühen um Dreherlaubnisse der schwerste Teil der Arbeit. Dabei ist es kein Zufall, dass ausgerechnet Medien und Politik nicht vorkommen: Trotz einiger Bemühungen waren keine der angefragten Parteien oder Sender bereit, sich in die kommunikativen Karten gucken zu lassen.

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