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CITY Lights: Vergessene Aufklärer

Frank Noack entdeckt, was lange keiner sehen wollte.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, vor der Fernsehserie „Holocaust“ habe es keine filmische Auseinandersetzung mit der Ermordung der europäischen Juden gegeben. Tatsächlich sind so viele Filme zu dem Thema gedreht worden, dass man allein mit ihnen ein Buch füllen könnte. Ihr geringer Bekanntheitsgrad lässt sich nur zum Teil auf den Kalten Krieg zurückführen: Holocaust-Dramen sind in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn gedreht worden; sie wurden, wenn überhaupt, im Westen nur einmal kurz auf Festivals gezeigt, fanden aber keinen Verleih.

Die Reihe „Welchen der Steine du hebst. Filmische Erinnerung an den Holocaust“ wird von Raritäten dominiert. Bereits 1948 investierte Artur Brauner das Geld, das er mit fröhlichen Unterhaltungsfilmen verdient hatte, in Morituri, die Geschichte von entflohenen KZ-Insassen, die in einem Waldstück ums Überleben kämpfen. Es sagt viel über den Geist der Zeit, dass empörte Zuschauer ihr Eintrittsgeld zurückverlangten, weil sie keinen Film über „KZler“ sehen wollten (heute Hackesche Höfe, So. Kant Kino).

Ein Tag – Bericht aus einem deutschen Konzentrationslager 1939 gelangte am 6. Mai 1965 ins gutbürgerliche deutsche Wohnzimmer (Di. Hackesche Höfe). Der Regisseur Egon Monk war ein Arbeiterkind aus dem Wedding; er hatte sein Handwerk bei der Defa und am Berliner Ensemble erlernt und leitete seit 1960 beim NDR die Abteilung Fernsehspiele. Angeregt durch Zeitzeugen aus dem KZ Sachsenhausen, stellte er ruhig und sachlich den Alltag in einem Lager nach – ein stärkerer Kontrast zum kolportagehaften Geschichtsfernsehen der Gegenwart lässt sich kaum denken.

Filme über Naziopfer und -täter garantierten großes Schauspielerkino; auch das war eine Möglichkeit, das Thema dem Publikum nahezubringen: Sidney Lumets Der Pfandleiher lief 1964 auf der Berlinale, wo Rod Steiger als Darsteller ausgezeichnet wurde (Sa. Hackesche Höfe). Es war der erste Versuch, sich mit den psychischen Folgeschäden der KZ-Haft auseinanderzusetzen. Die Kunden des New Yorker Pfandleihers Sol Nazermann wundern sich über dessen Kälte und Unnahbarkeit und wissen nicht, dass ihn die Ermordung seiner Familie so werden ließ. Mit einer Oscar-Nominierung wurde Maximilian Schell für The Man in the Glass Booth (1975) geehrt, einer Verarbeitung des Eichmann-Prozesses (Sa. Hackesche Höfe). Regisseur Arthur Hiller unternahm damit einen frühen Versuch, die moralische Grauzone zu erforschen. Von dem Protagonisten weiß man lange Zeit nicht, ob er ein Nazi-Verbrecher ist, der die Identität eines Juden angenommen hat oder ein Jude mit Persönlichkeitsstörung, der sich als Nazi ausgibt.

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