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District 9: Townships für Außerirdische

Johannesburg ist überall: Neill Blomkamps politischer Horror-Thriller District 9 beginnt als klassische Satire und beruht einfach auf einer sehr gut erfundenen Geschichte.

Filme mit Außerirdischen sind ein dankbares Genre, wenn man eine Metapher für die Angst der Menschen vor dem eindringenden Anderen sucht. Deshalb blühte das Genre in Zeiten der Paranoia. Also in den Fünfzigern. Und jetzt. Als Steven Spielberg aber 1982 „E.T.“ in die Kinos brachte, war er der erste ScienceFiction-Filmer, der diese Sonderform des Monsterfilms nicht benutzte, um zu fragen: Was macht das Fremde mit uns? Er fragte umgekehrt: Was machen wir mit dem Fremden?

Mit „District 9“ kommt nun ein Film ins Kino, der diesen Faden wieder aufnimmt. Regisseur Neill Blomkamp und Produzent Peter Jackson („Herr der Ringe“) haben in einer neuseeländischsüdafrikanischen Koproduktion und für vergleichsweise läppische 30 Millionen Dollar einen ungewöhnlichen und packenden Film gedreht: Er variiert die Standards des Genres so geschickt, dass sich Science-Fiction plötzlich wieder frisch und aufregend anfühlt.

Es beginnt als klassische Satire. Im Stil einer TV-Dokumentation wird die Vorgeschichte aufbereitet: Vor zwanzig Jahren tauchte ein riesiges Raumschiff aus dem Himmel auf und schwebt seitdem über Johannesburg. Die Regierung des Landes ließ das Schiff schließlich öffnen und fand dort eine orientierungslose Masse verhungernder Kreaturen vor. Man holte die Außerirdischen auf die Erde und wies ihnen ein Ghetto zu: District 9. Sie sind Erdenbewohner dritter Klasse.

Doch mittlerweile haben die Johannesburger genug vom Flüchtlingstownship mitten in ihrer Stadt. Der Konzern „Multi-National Unit“ erhält von der Regierung den Auftrag, die stark gewachsene Bevölkerung von District 9 in ein Zeltlager außerhalb der Stadt umzusiedeln – und das zwangsweise. Wikus Van De Merve (Sharlto Copley), ein nicht besonders heller, aber tatkräftiger Bürokrat, soll die Umsiedelung überwachen. Es kommt zu einem Zwischenfall – und die ansprechende Satire verwandelt sich unversehens in einen Sci-Fi-Thriller mit drastischem body horror. Van der Merve erlebt Schreckliches, und der Film ist nicht zimperlich darin, das zu zeigen.

Mehr darf man nicht verraten, denn „District 9“ ist vor allem deshalb ein packendes Erlebnis, weil die Geschichte so gut erfunden ist. Regisseur und Autor Neill Blomkamp, in Johannesburg geboren und aufgewachsen, treibt die Handlung druckvoll voran – und immer kommt es ein wenig anders, als man denkt. Das Szenario, die Handlung, die Figuren – alles ist klug angelegt, und weil der Film stets nur preisgibt, was man unbedingt wissen muss, kommt es in den knapp zwei Stunden nie zu einem Spannungsabfall.

Das Verhalten der Aliens etwa ist kaum einzuschätzen. Sie sind einigermaßen friedfertig, aber erratisch erregbar; sie sind sozial gebunden und doch irgendwie planlos, wenn sie sich zusammenrotten. Wie Mitglieder eines Insektenvolkes, das vor zwanzig Jahren seine Königin verloren hat, haben sie sich im Laufe der Jahre ansatzweise individualisiert – doch nicht genug, um ihr Schicksal schon selber in die Hand zu nehmen. Stattdessen lassen sie sich von menschlichen Gangsterbanden terrorisieren, die ihnen das heiß begehrte Dosenfutter zu Wucherpreisen in die Township schmuggeln.

Steven Spielberg gelang in „E.T.“ der Perspektivwechsel, indem er das Fremde niedlich machte. „District 9“ irritiert dagegen, weil die Aliens nicht als sympathische Opfer auftreten. Sie sind abstoßend. Der Film macht seine Zuschauer damit zeitweise zum Komplizen der alienfeindlichen Menschen auf der Leinwand: Wer würde schon gerne neben einem solchen Ding im Bus sitzen müssen? „E.T.“ traf ins Herz. Blomkamps Film dagegen zielt aufs Hirn. Und in die Magengrube. Selbst als es zu einer flüchtigen Verbrüderung kommt, bleiben Verständnis und Harmonie zwischen den Rassen eine lächerliche Illusion. „District 9“ ist der Anti-„E.T“.

In Interviews spricht Neill Blomkamp über seine düsteren Erwartungen für die Zukunft der Menschheit: In 50 Jahren, glaubt er, wird Johannesburg, die Ausbreitung des Elends und die Abschottung des Reichtums, überall sein. Das brachte ihn auf die Idee, die Stadt zum Handlungsort einer Sci-Fi-Parabel zu machen. Die Anspielungen sind zahlreich: Schon im Titel erinnert „District 9“ an die Zwangsräumung von District 6 im Kapstadt der siebziger Jahre. Es geht um Apartheid, Machtmissbrauch, Flüchtlingsströme – und die allzu berechenbare Grausamkeit des Menschen gegenüber dem Andersartigen. All das ist äußerst geschickt ins Sci-Fi-Szenario eingegossen, ohne sich aufzudrängen, zudem fein mit beißend schwarzem Humor akzentuiert.

Der Film ist außerdem noch ein perfekt inszeniertes Genrestück – im Guten wie im Schlechten. Denn das Finale gerät dann leider doch wie von der Stange. Die große Schlussballerei hat zwar ordentlich Wucht und macht uneingeschränkt Freude. Im Laufe einer Vorführung während des Fantasy-Filmfestivals spendierte das verwöhnte Publikum sogar Szenenapplaus. Ein bisschen schade ist es aber schon, dass ein Film, der als Sci-FiParabel ganz groß hätte herauskommen können, dann doch ein so flaches Ende nimmt.

Ab Donnerstag in 17 Berliner Kinos; Originalversion im Cinestar Sony-Center

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