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Imam

© mitosfilm

Dokumentarfilm: Hügel überm Häusermeer

Die Doku "Reich des Bösen – Fünf Leben im Iran" porträtiert Alltagsschicksale in Teheran. Wie jeder Dokumentarfilm zeigt auch dieser – neben der fremden Welt im Spiegel – eigentlich uns selbst.

Eine junge Fechterin, die mit ihrem Freund in die USA auswandern möchte. Der arbeitslose Abbas, der in seinem kleinen Zimmer in der elterlichen Wohnung für die Freunde Videos auf dem Computer schneidet und außerdem Mitglied der paramilitärischen islamistischen Bajidschi-Miliz ist. Ein Imam und Englischlehrer, der neben seinen Predigten in der Moschee auch im Englischunterricht und als Radio-Prediger seine süßlich-frömmlerische Botschaft von westlicher Dekadenz und wahrem Frauenglück verkündet. Mahtab, die Sängerin werden will in einem Land, das Frauen öffentliche Auftritte verbietet.

Und dann ist da noch Golsa, die Tochter einer reichen Familie, die im westlich orientierten Kindergarten deutsche Gutenachtlieder singt und der der Großvater feierlich einen Koran aus altem Familienbesitz vererbt. Abends wird mit der Großmutter zum Ghettoblaster am Kellerpool Discotanz einstudiert. Dazwischen Straßenszenen: stille Märtyrerverehrung und Jubelpartys im Verkehrsstau, Geißelprozessionen und buntes Skitreiben.

Verwirrend? Alltag aus Teheran, so widersprüchlich wie überall auf der Welt. Der im Iran geborene und in Hamburg lebende junge Regisseur Mohammad Farokhmanesh hat fünf Menschen zusammengebracht, die sich von alleine in der Millionenstadt wohl nie träfen. Der Grund: Er war es satt, das Bild seines Heimatlandes selbst bei wohlmeinenden deutschen Freunden immer nur auf die Angst vor atomarer Aufrüstung und religiöse Horrorszenarien reduziert zu sehen. Also machte er sich mit Kamera und kleinem Drehteam selbst auf den Weg nach Teheran, um dort das ganz normale Teheraner Alltagsleben festzuhalten – gefiltert nur durch sein ureigenes Darstell- und Erzählinteresse. Denn selbstverständlich sind auch die Protagonisten von Farokhmaneshs Film so sorgfältig gecastet wie die meisten anderen Dokumentarfilmhelden auch. Zufall ist da nichts.

Wie jeder Dokumentarfilm zeigt auch dieser – neben der fremden Welt im Spiegel – eigentlich uns selbst. Nur dass es Farokhmaneshs Helden unendlich viel schwerer haben, ihren eigenen Weg zu gehen. Das hat politische und ökonomische Gründe. Abbas muss seinen Computer verkaufen und hat so noch mehr Zeit und Bedarf für die islamistische Kumpanei. Die Fechterin ergattert sich eine Greencard, doch auch sie kann die Ausreise nicht bezahlen. Also tobt sich die Sportlerin beim Joggen aus und kämpft zumindest für eine Änderung der restriktiven Kleiderordnung, die die Kämpferinnen beim Turnier zu unförmigen Lachnummern macht.

Am Ende treffen sich alle Helden und Heldinnen an einem Aussichtspunkt hoch über den Häusermassen der Millionenstadt Teheran, wo besonders die jungen Frauen unverblümt dem Imam gegenüber ihren Unmut über die auferlegten Beschränkungen äußern. Natürlich überrascht es wenig, dass vor allem die Frauen Opfer des islamistischen Regimes sind. Faszinierend ist aber, wie gerade sie vernehmlich anfangen, die Stimme zu erheben. Freier Blick und frischer Wind machen Hoffnung auf Veränderung.

Das ist wohl auch Farokhmaneshs eigentliche Botschaft: Seht mal her, auch hier liegt Veränderung in der Luft. Illusionär ist solche Hoffnung keineswegs: Denn trotz aller ideologischen Scheuklappen kann sich ein so bedeutendes Land wie der Iran praktisch sozialen Stillstand nicht leisten.

Central am Hackeschen Markt (OmU)

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