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Dustin Hoffman

© ddp

Dustin Hoffman: Der Unbestechliche

Immer wieder neugierig auf das Neue in sich selbst: Zum 70. Geburtstag von Dustin Hoffman.

Schon damals, als die Korrespondenten des befreundeten Auslands noch eifrig die Bush-Trommel rührten, war diese Rede groß. Und sie ist heute, da der von Amerika entfesselte Krieg täglich neue Horrormeldungen gebiert, umso größer zu nennen. Im Februar 2003, fünf Wochen vor der US-Invasion im Irak, hielt Berlinale-Gast Dustin Hoffman in einer bewegenden Ansprache seiner Regierung drei Dinge vor: Warum rechtfertigen wir diesen Krieg mit einer Lüge, wie schon damals in Vietnam? Warum lassen wir einen Machthaber fallen, den wir eben noch – gegen den Iran – mit Dollar-Millionen alimentiert haben? Und drittens, heute erst recht aktuell: Wie lange werden wir dort bleiben?

Gerade mal eine Viertelstunde hatte Dustin Hoffman auf der Berliner „Cinema for Peace“-Gala, um seinen kurzfristig erbetenen Auftritt mit ein paar Notizen vorzubereiten, und wesentlich länger dauerte er nachher auch nicht – aber mit ihm hatte die Berlinale 2003 auf einmal ihr politisches und moralisches Energiezentrum gefunden. Und Dustin Hoffman seine nachhaltigen 15 Minuten Ruhm auf der ihm dienstlich weniger geläufigen Bühne namens Wirklichkeit. Ja, genau jener Perfektionist Dustin Hoffman, der noch jeden Regisseur am Set zur Weißglut gebracht hat und bringt und den sie dafür in jedem Interview mit bohrenden Fragen zu seinem Perfektionismus nerven, genau dieser Dustin Hoffman hatte allen Perfektionismus über Bord geworfen und leidenschaftlich frei gesprochen. „Nach seinem Auftritt saß der Schauspieler wie in Trance an seinem Tisch“, notierte damals die Tagesspiegel-Chronistin, „bis Freunde ihn umarmten und ihm gratulierten.“

Seine größte Rolle also? Natürlich nicht. Die bleibt fürs Kino. Nur welche? Da finde bei diesem wohl chamäleonhaftesten Chamäleon von Schauspieler jeder die seine. Thematisch am nächsten dran an jenem fulminanten Berliner Auftritt ist wohl sein Reporter Carl Bernstein in „Die Unbestechlichen“ (1976), der zusammen mit Bob Woodward alias Robert Redford dem US-Präsidenten Nixon als hartnäckiger Watergate-Rechercheur politisch den Garaus machte. Dicht gefolgt, allerdings in satirischer Verkleidung, von Hoffmans köstlich sarkastischem Hollywood-Produzenten Stanley Motss in „Wag the Dog“ (1998): Auch hier arrangiert Amerika zur Ablenkung von präsidialen Peinlichkeiten mal eben einen Krieg – gegen Albanien.

Vom bewegend geläuterten Vater in „Kramer gegen Kramer“ (1979, erster Oscar für Hoffman) bis zum anrührenden Autisten in „Rain Man“ (1988, zweiter Oscar), vom tragikomischen Frauenfummel-Mimen in „Tootsie“ (1982) bis jüngst zum lustigen Althippie in „Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich“ – was hat dieser 1,68 Meter kleine Hollywood- Riese nicht alles gespielt! Und vor allem: von Kontrast zu Kontrast immer wieder überzeugend verkörpert! Ein bisschen Akribie bei der Vorbereitung, ein bisschen nervendes Nachhaken bei den Dreharbeiten kann da wohl nicht schaden – auch wenn Produzenten, wie Hoffman gerne spottet, jede Szene immer gern husch-husch im Kasten haben.

Vielleicht ist das ja das Geheimnis dieses Schauspielers, der nach bohemehaften Wanderjahren in Los Angeles und New York erst mit 30 zum Kino kam (und in „Die Reifeprüfung“ als 20-jähriger Spätling Benjamin Braddock gleich den ersten Verwandlungscoup landete): dass er für jede Rolle immer wieder neu anfängt. Dass er immer wieder, alte Actors-Studio-Schule, diese neue Rolle ist und nicht bloß mal eben spielt. Und so kommt’s, dass sein Gesicht sich trotz vier Dutzend Kinofilmen in vier Jahrzehnten keineswegs verbraucht hat. Dass es, weil neugierig auf das Neue, auch immer wieder neugierig macht auf das Neue in sich selbst. Wovon sich so mancher Hollywood-Star, zur Feier dieses Tages, gleich drei Scheiben abschneiden könnte.

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