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© dpa

Film: Man muss sich auch ans Ende setzen können

Die Regisseurin Mira Nair über ihre Heimaten Amerika, Afrika und Asien – und die Chance der Globalisierung.

Frau Nair, spielt bei der indischen Emigrantin in „The Namesake“, die anders als ihre Kinder in den USA nie wirklich Wurzeln schlägt, Autobiografisches mit

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Auch wenn ich selbst weitaus weniger traditionell erzogen wurde als Ashima, kenne ich vieles aus eigener Erfahrung. Ich habe etwa drei Jahre gebraucht, um zu lernen, wie man sich im Winter anzieht. Heute lebe ich zwischen drei Kontinenten: Manhattan, Uganda, wo mein Mann herkommt, und Neu Delhi. Ein ungeheures Privileg. Es ist ja heute nicht mehr wie in den Siebzigern, wo ein Telefongespräch einmal im Monat die einzige Kommunikationsmöglichkeit war. Andererseits sind in New York alle so besessen von ihrem Erfolg. Die Leute da sagen kaum noch „How are you?“, sondern bloß: „Was hast du gemacht?“

Und in Indien?

Dort ist es völlig egal, wie erfolgreich mein letzter Film war oder welchen Essay ich geschrieben habe. In der Kultur, aus der ich komme, lernt man sich selbst immer an den Schluss zu setzen. Und diese Selbstlosigkeit ist in der Gesellschaft sehr hoch angesehen. Im Westen wissen die Leute überhaupt nicht, was ich meine, wenn ich von Selbstlosigkeit spreche.

Ihr neuer Film zeigt ein verblüffend positives Bild einer arrangierten Ehe.

Ich selbst könnte nie in einer arrangierten Ehe leben, aber als Filmemacherin fasziniert mich die Idee, sich nach der Hochzeit in einem Fremden zu verlieben. In meiner Familie gibt es einige arrangierte Ehen und sie sind unglaublich glücklich. Für die Eltern ist die Hochzeit eines ihrer Kinder ein schrecklicher Verlust, und deshalb suchen sie nach Familien, die zu ihnen passen. In den meisten Fällen hält eine arrangierte Ehe länger als eine Liebesheirat.

In „The Namesake“ geht es auch um Tradition und Moderne. Verschwimmt dieser Konflikt im Zeitalter der Globalisierung nicht zunehmend?

Heute wandert die indische Intelligenz nicht aus. Man kommt nach ein paar Jahren im Ausland zurück, weil wir alles zu Hause machen können. Indien ist sehr elastisch, eine Gesellschaft der kulturellen Koexistenz. Die Frauen tragen morgens ein kurzen Rock und Spaghettiträger und abends einen Sari. Einfach so.

Und was wird aus den Traditionen?

Wir sind eine alte Kultur, und die Leute kehren gerne zu ihr zurück. Andererseits lernen wir viel mehr über die Welt, als die Welt über uns lernt. Als ich 1976 in die USA kam, kannte ich jeden Beatles-Song und wusste alles über den Vietnamkrieg. Aber junge Leute in Minnesota, haben oft noch nicht einmal die amerikanische Ostküste gesehen. Da gibt es eine Art Inselmentalität.

Trotzdem integriert Amerika Emigranten und ihre Kultur besser als etwa Europa.

Ich würde da eher an Kanada denken, wo die multikulturelle Gesellschaft ein großes politisches Thema ist. Die Amerikaner verstehen erst langsam, dass die Vitalität ihres Landes auf den Immigranten basiert. Ich wünschte, die Erkenntnis würde sich auch in Europa durchsetzen. Ich war während der WM in Afrika und alle waren dort für Frankreich, weil das französische Fußballteam zur Hälfte aus Afrikanern besteht. Das ist die Zukunft. Daran kommt niemand vorbei.

Interview: Martin Schwickert

Mira Nair (49) ist die wichtigste indische Filmemacherin. Salaam Bombay machte sie 1988 weltberühmt. Monsoon Wedding holte 2001 den Goldenen Löwen bei Filmfest Venedig.

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