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Filmfestival in Cannes: Beißende Reize

Heute Abend beginnen in Cannes die Filmfestspiele. Mit dabei: Ein deutscher Beitrag von Filmemacher Wim Wenders in dem Campino - der "Tote-Hosen"-Sänger - einen Düsseldorfer Starfotografen spielt.

Manchmal wirkt so manche Pressemitteilung, mit dem bloßen Auge alltagsvernünftiger Aufmerksamkeit betrachtet, arg verfrüht. Als unlängst das Filmfestival von Venedig, bereits vier Monate vor Start, seinen Eröffnungsfilm „Burn After Reading“ der Gebrüder Coen zu verkünden sich bemüßigt fühlte, da mochte derlei Beflissenheit fast albern erscheinen.

Vor anderweitig aktuellem Hintergrund aber entwickelte die Nachricht geradezu beißenden Reiz. Hatte Top-Konkurrent Cannes doch bis dato den eigenen Eröffnungsfilm noch immer nicht bekannt gegeben, und das keine vierzehn Tage vor Beginn des 61. Filmfests an der Croisette. Ob Venedig da als der lachende Zweite triumphiert, bloß weil die Coen-Brüder mit ihrer Agentenkomödie nicht rechtzeitig für Cannes fertig waren?

Alles Spekulation. In derlei pikanten Angelegenheiten ist das Schweigen der Cannes-Offiziellen grundsätzlich allumfassend – und die Lust auf eigene Überraschungen ebenso. So zogen sie tags darauf als Eröffnungsfilm Fernando Meirelles’ „Stadt der Blinden“ aus dem Ärmel, der wiederum zur Verwunderung mancher Branchenbeobachter auf keiner Liste gestanden hatte. Auch bei der Programmpressekonferenz eine Woche zuvor war die Verfilmung des Bestsellers von Literaturnobelpreisträger José Saramago nicht genannt worden.

Immerhin, Thierry Frémaux, als Festspiel-Intendant nun endgültig Nachfolger des exklusiv zum Präsidenten auf- und abgerückten Gilles Jacob, spricht von einer insgesamt komplizierten Filmauswahl. Das Ergebnis kann da umso offener und aufregender ausfallen. So sind – neben den einstigen Palmen-Gewinnern Wim Wenders, den Brüdern Dardenne und Steven Soderbergh sowie etwa den Stammgästen Atom Egoyan und Nuri Bilge Ceylan – so viele Neulinge wie nie zuvor im 22 Titel umfassenden Wettbewerb.

Kann schon sein, dass da einer, den heute kaum einer kennt, bis zur Goldenen Palme durchmarschiert. Letztes Jahr hatte Cristian Mungiu das rumänische Kino mit einem Schlag weltberühmt gemacht – wie wäre es diesmal mit Brillante Mendoza, der mit „Serbis“ den aufstrebenden philippinischen Film vertritt? Oder mit Eric Khoo aus Singapur („My Magic“)? Starke Neugier richtet sich auch auf den Israeli Ari Folman, der mit den Mitteln eines animierten Dokumentarfilms seine eigenen Libanon-Kriegserfahrungen reflektiert. Und was ist mit dem vielberaunten „Delta“ des 33-jährigen Ungarn Kornél Mundruczó?

Am anderen, hoch prominenten Ende der cineastischen Abenteuerparade namens Cannes stehen Regisseure wie Woody Allen – sein Film „Vicky Cristina Barcelona“ mit Penelope Cruz und Scarlett Johansson soll ganz besonders erotisch sein – und Steven Spielberg. Dessen heftig erwarteter „Indiana Jones“, der vierte nach knapp 20 Jahren Pause, trägt allerdings bereits schwer an harschen Blogger-Verrissen, obwohl ihn doch vor kommenden Sonntag in Cannes niemand aus der bösen Welt da draußen hätte sehen dürfen. Macht nichts: Die schönste Freude ist die Vor-Schadenfreude – manchmal. 

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