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Filmgeschichte: Verboten, unsterblich

Wenn Kunst sich Feinde macht, muss sie gegen diese geschützt werden. Eine Würdigung der polischen Sprengkraft des Kinos.

Auch in der DDR wurden Lehrerinnen mal als Fräuleins bezeichnet. So jedenfalls in Hermann Zschoches Sommer-See-Liebesfilm Karla, der seine unkonformistische Titelheldin 1965 per Bahn aus dem Berliner Lehrerseminar an eine mecklenburgische Provinzschule schickt. Karla (keck: Jutta Hoffmann) ist dabei nicht bloß ein bisschen eigenwilliger als üblich. Auch Kollegium und Schulbehörde (Inge Keller als bissige Schulrätin und Mathelehrer Rolf Hoppe) sind mit seltener Schärfe gezeichnet. Folglich landete der Film wegen „skeptizistischer Grundhaltung“ auf dem Verbots-Regal, bis er 1990 rehabilitiert und durch Kameramann Günter Ost rekonstruiert wurde. Zschoche selbst blieb danach bei der Defa nicht erfolglos, konnte aber im wiedervereinigten Deutschland nur noch TV-Spiele und Serien realisieren. Am Dienstag ist „Karla“ in Anwesenheit des Regisseurs bei freiem Eintritt open air auf dem Alex zu sehen.

Eine anderweitig gestörte Aufführungsgeschichte hat Nathan der Weise, der 1922 bei der Münchner Bavaria entstand. Der Monumentalfilm sollte einer der „schönsten Schlager“ des Jahres werden, sieben Kameramänner und zehn Hilfsregisseure waren für die Massenszenen im Einsatz. Doch München stand im Bann der völkischen Bewegung, Produzent Erich Wagowski und sein jüdischer Regisseur Manfred Noa wurden schon im Vorfeld attackiert. Im September 1922 landete der Film vor der Münchner Filmprüfstelle, die ihn – trotz Gutachten zu angeblich zu prosemitischer Tendenz und damit verbundener Gefahr antisemitischer Tätlichkeiten – zuließ, eine Entscheidung, der auch die Berliner Oberprüfstelle folgte. Tenor: Wenn Kunst sich Feinde macht, muss sie gegen diese geschützt werden. Tatsächlich aber war die Münchner Polizei damals schon so sehr von Rechtsradikalen durchsetzt, dass der Film nach 48 Stunden abgesetzt werden musste. 1996 wurde eine gut erhaltene Kopie des Films gefunden und vom Münchner Filmmuseum restauriert. Die bisher einzige Leinwandfassung von Lessings „dramatischem Gedicht“ beeindruckt auch heute durch atmosphärische Dichte und visuelle Raffinesse. Am Freitag wird die kolorierte Fassung mit einer eigens komponierten Musik von Rabih Abou-Khalil im Konzerthaus präsentiert. Regisseur Manfred Noa starb am 4. Dezember 1930 im Alter von nur 37 Jahren. So blieb er – leider – eine Randfigur der deutschen Filmgeschichte.

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