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Filmkritik: Action mit Gefühl: Der Gefängnisthriller "72 Stunden"

Mit "72 Stunden" legt der mehrfach oscarprämierte Regisseur und Drehbuchautor Paul Haggis ein spannendes und souverän inszeniertes Stück Unterhaltungskino vor, das ganz auf seinen Star Russell Crowe zugeschnitten ist.

Nur kurz hält der Blick, mit dem John Brennans (Russell Crowe) seiner Frau Lara (Elizabeth Banks) beim Frühstückmachen zuschaut, die Zeit an, unterbricht den hektischen Familienalltag und erzählt in seinen wenigen Sekunden alles über die Intensität und Vertrautheit einer langjährigen Liebe. Dieser Blick muss stimmen, denn viel Zeit bleibt den beiden Hauptfiguren in Paul Haggis’ "72 Stunden" nicht, um das emotionale Fundament der Geschichte zu legen. Denn schon in der nächsten Minute stürmt die Polizei die Wohnung und nimmt Lara unter Mordverdacht fest.

Sie soll ihre Chefin auf dem Parkplatz mit einem Feuerlöscher erschlagen haben. Natürlich ist sich John sicher, dass seine Frau die Tat nicht begangen hat, aber die Beweise sind erdrückend. Lara wird zu lebenslänglicher Haft verurteilt, und John will sich nicht damit abfinden, dass er den Rest seines Lebens ohne sie verbringen und den gemeinsamen Sohn allein aufziehen soll.

Getreu der Westernregel "Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss" beginnt John die Befreiung seiner Frau zu planen, ohne dass sie davon weiß. Die Vorbereitungen laufen keineswegs reibungslos. Die Besorgung von falschen Papieren und einer nicht registrierten Waffe endet für den kriminell unerfahrenen Collegedozenten fast im Desaster. Auch der versierte Ausbrecher (Liam Neeson), den John als Berater hinzuzieht, verbreitet angesichts der Sicherheitsstandards und geografischen Lage des Pittsburgher Gefängnisses wenig Optimismus.

Mit "72 Stunden" legt der mehrfach oscarprämierte Regisseur und Drehbuchautor Paul Haggis ("L. A. Crash", "Million Dollar Baby") einen geradlinigen Routinethriller vor. Seine letzte Regiearbeit, die Irakkriegsgeschichte "Im Tal von Elah", wurde zwar von der Kritik gefeiert, aber an den US-Kinokassen abgewählt. Da muss sich auch ein Mann wie Haggis in Hollywood offenbar erst einmal wieder im Mainstream bewähren. Als Brückenschlag zwischen Familiendrama und Actionfilm entwickelt sich "72 Stunden" zu einem durchaus spannenden und souverän inszenierten Stück Unterhaltungskino, das ganz auf seinen Star Russell Crowe zugeschnitten ist. Haggis beweist auch in diesem Remake des französischen Thrillers "Ohne Schuld" (2008) seine Stärken in der Charakterisierung der Figuren und der dynamischen Montage von Aktion und Sentiment.

Dennoch hat der Plot einige Plausibilitätslöcher, die nur teilweise wieder gestopft werden. Größtes Manko ist die oberflächlich gestaltete Beziehung zwischen Vater und Sohn. Immerhin geht der alleinige Erziehungsberechtigte mit seiner Befreiungsaktion das Risiko ein, dass das Kind sein letztes verbliebenes Elternteil auch noch verliert. Die Vertiefung dieses Verantwortungskonfliktes hätte die Glaubwürdigkeit der Geschichte sicherlich steigern können, aber derlei moralische Irritationen wollte Haggis dem anvisierten Massenpublikum wohl nicht zumuten.

In 13 Berliner Kinos; Originalfassung im Cinestar Sony-Center

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