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Filmkritik: Die Hütejungs

Rudolf Schweigers "Mörderischer Frieden" zeigt Bundeswehr-Soldaten als Helden im Kosovo.

Vaterland verteidigen, Rote töten – das war einmal. Seit dem Ende des Kalten Krieges hat sich der Auftrag der Bundeswehr gewandelt. Die Armee sichert heute den Frieden in der Welt. Rund 7000 Soldaten sind bei „Friedenseinsätzen“ in Afghanistan, Libanon, am Horn von Afrika und auf dem Balkan stationiert. Warum hat bisher noch kein Filmemacher eine Geschichte vor dem Hintergrund eines solchen Einsatzes erzählt? Die Missionen liefern doch Spielfilmstoff par excellence: exotische Drehorte, Typen, Konflikte, amouröse Beziehungen zu einheimischen Damen, Kommiss–Komik. Doch die ernsthafte filmische Auseinandersetzung mit einer deutschen Truppe – „Die Brücke“ etwa oder „Das Boot“ – betraf nur die Zeit vor 1945.

Auf diese Leerstelle mögen Produzent Michael Röhrig und Regisseur Rudolf Schweiger gezielt haben, als sie „Mörderischer Frieden“ in Angriff nahmen. Erzählt wird die fiktive Geschichte einer Bundeswehreinheit, die 1999 im Rahmen der Kfor-Mission im Kosovo einrückt. Die jungen Soldaten Tom und Charly (gespielt von Adrian Topol und Max Riemelt, beide im echten Leben Wehrdienstverweigerer) sollen mit ihrem Trupp die Serben schützen, die in einem mehrheitlich von Albanern bewohnten Dorf leben.

Erschwert wird der Auftrag, weil einige der Serben sich gar nicht schützen lassen wollen und zudem gehörig Dreck am Stecken haben. Als ein albanischer Heckenschütze die Tochter des örtlichen Tschetnik-Führers ins Visier nimmt, greifen Tom und Charly ein. Charly wird verletzt und verknallt sich in die süße Serbin. Tom stellt den Schützen, einen Zwölfjährigen, und die Serbin verliebt sich in Tom. Im Folgenden behüten die Jungs die Blondine (brav: Susanne Bormann) vor den Albanern und den Zwölfjährigen vor einem brutalen Bundeswehrkameraden. Sie lernen die blutige Geschichte des Kosovo kennen und begreifen, dass ohne die Friedenstruppe dort wieder die Hölle los wäre.

Zwischendurch Truppenalltag: Essen fassen, Duschen, Karten spielen, sich auf die Nerven gehen. „Das ist kein Feriencamp“, sagt Tom einmal – doch genau diesen Eindruck gewinnt man. Es gibt den Draufgänger, den Verantwortungsträger, den Muskel-Macho und den Dicken. Aber keiner wird als Charakter ausgeleuchtet. Als Tom und Charly eine massakrierte Familie entdecken, sind sie erst schockiert. Doch schon in der nächsten Szene: alles wieder vergessen. Keine Spur vom Psycho-Stress, unter dem viele Soldaten auf Auslandseinsätzen leiden. Zum Eindruck der Oberflächlichkeit tragen die immer gleichen Kamerafahrten und eine sentimentale Filmmusik bei.

Immerhin, dieser Kinoerstling entstand in Bosnien unter schwierigen Bedingungen. Die Crew konnte sich wegen der immer noch herumliegenden Minen nicht frei bewegen. Unweit wurde parallel der Polit-Thriller „Hunting Party“ mit Richard Gere (siehe nebenstehende Kritik) gedreht. Die Amerikaner warfen mit Dollars um sich und trieben die Preise für einheimische Hilfskräfte hoch. Andererseits wurde Schweiger von der Bundeswehr unterstützt, was eine kritische Haltung offenkundig nicht förderte.

Deutsche Soldaten, die im Kosovo gedient haben, freuen sich, dass kurz vor der Entscheidung über die Unabhängigkeit der Provinz am 10. Dezember ein Film zum Thema erscheint. „Die Öffentlichkeit begegnet uns mit freundlichem Desinteresse“, beklagt Fregattenkapitän Michael Büsching, der zweimal auf dem Balkan war. Der 46-Jährige bescheinigt dem Film eine akkurate Darstellung. Ausrüstung, Dienstgrade, Sprache: alles in Ordnung. „Nur von Liebesbeziehungen zwischen Soldaten und Einheimischen habe ich nie gehört.“ Ohnehin sei die Bundeswehr keine Männergesellschaft mehr. Seit 2001 dienen auch Frauen. Bewerbern für Auslandseinsätze würde Büsching den Film nicht zeigen. „Es entsteht ein falscher Eindruck.“ Achtzig Prozent der Soldaten verlassen nie die Camps.

Cinemaxx Potsdamer Platz und

Cinestar Hellersdorf

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