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Filmkritik: Ohne Spieltrieb: Das poppige Spaßspektakel "Tron: Legacy"

Fortsetzung eines Kultfilms: "Tron: Legacy" bombardiert den Zuschauer mit allem, was das aktuelle Kino so kann, führt aber nicht darüber hinaus.

Bevor Sie heute die Oberfläche Ihres I-Phones streicheln, um sich ins Internet einzuwählen, legen Sie doch mal eine Gedenkminute ein. Für den Disney-Film „Tron“, der dem Kinopublikum vor beinahe 30 Jahren die Mutter aller Touchscreens vor Augen geführt hat: eine riesige, glänzende Schreibtischoberfläche mit flackernden Panels, die Apples Chefdesigner Jonathan Ive nicht besser hingekriegt hätte.

Von einem solchen Screen konnte man damals freilich nur träumen. Es war die Zeit des Commodore und der Floppy Disk, und über dunkle Bildschirme floss giftgrüner DOS-Code. Steven Lisbergers „Tron“-Film war kein künstlerischer Meilenstein, aber er ließ sich auf die Technik ein und wurde zu einer kleinen Legende. Er gilt als die erste Kinoproduktion, die extensiv mit Computergrafik arbeitete und sah auch in den mit konventionelleren Mitteln hergestellten Sequenzen hochgradig artifiziell aus. Der Held, Jeff Bridges als Kevin Flynn, Elektronikunternehmer und Spieledesigner, wurde durch einen Korridor voller abstrakter, grafischer Strukturen in eine virtuelle Welt katapultiert, in der Schauspieler Computerprogramme repräsentierten – ein Standard des Cyberkinos bis zur „Matrix“-Serie. Aber diese Figuren wirkten mit ihren verschatteten Gesichtern, in ihren lumineszierenden Anzügen rührend und transhuman, als hätte man einen Stummfilm mit einem Videogame überblendet.

Die Macher des späten Sequels „Tron: Legacy“ müssen vor einem Dilemma gestanden haben. Einerseits ist so ein Unternehmen mit Rücksicht auf die Fangemeinde allemal ein Retro-Trip - andererseits hat sich der filmische Apparat seitdem praktisch neu erfunden. Kein Wunder, dass „Legacy“ ziemlich hybrid ausgefallen ist. Das Drehbuch nimmt den Faden der Geschichte wieder auf und schickt Flynns Sohn und Erben (Garrett Hedlund) auf die Suche nach dem Vater, der sich – fragen Sie nicht nach Details – endgültig in seinen Algorithmen verheddert hat. Jedenfalls liegt Flynn seit 20 Jahren in der elektronischen Parallelwelt mit seinem autokratischen, aus dem Ruder gelaufenen Avatar und dem umgepolten Tron im Clinch. Der Sohn muss ihn da spielend und kämpfend raushauen.

Bei der familiären Rettungsaktion entfaltet der Film durchaus Schauwerte. Er beschert das Vergnügen, Jeff Bridges, heute Hollywoods heißester Silver Ager, dabei zuzusehen, wie er gegen ein jüngeres, vom Computer geliftetes Ich antritt - ein Duell, das Bridges gewinnt, indem er seine gute alte Hippie-Nummer abzieht, mit Buddha-Bändchen und einem Hauch von Zen, denn Esoterik und Kybernetik gingen immer gut zusammen. Und natürlich ist das Sequel visuell hochgerüstet - zwar nimmt es die glühenden Farben und geometrischen Grundmotive des Originals auf, doch mit der Optik der frühen Arkadenspiele hat das nicht mehr viel zu tun.

Am schicksten ist das Upgrade eines Autorennens, das Figuren und Gefährte in Lichtfahnen auflöst und die Leinwand zersetzt: eine berauschende High-TechExtravaganz in glamourösem 3-D. Die modische Technik ist für das „Legacy“Team um Newcomer Joseph Kosinski das, was für den Spielefan Lisberger in den Achtzigern die Computergrafik war, und sie wird hier immerhin mal wieder smart eingesetzt. Das Sequel fängt zweidimensional in der „Wirklichkeit“ an und bläht sich plötzlich auf, sodass der virtuelle Raum greifbarer wirkt als der echte. Das passt, denn heute sind die Computer auf Nanogröße geschrumpft, während der Cyberspace sich nach außen gestülpt hat. Wir leben in einem „Realitäts-Virtualitäts-Kontinuum“, in dem digitale Hilfsmittel die menschliche Sinneswahrnehmung stützen und strukturieren.

Insgesamt aber ist dem Film der Spieltrieb des Originals abhanden gekommen. „Legacy“ bombardiert den Zuschauer mit allem, was das aktuelle Kino so kann, führt aber nicht darüber hinaus. Ins poppige Spaßspektakel mischen sich beständig Bilder und Motive, die man von „Star Wars“ bis „Herr der Ringe“ aus den Datenbanken der Konkurrenz gefischt hat. Dazu liefert die eigentlich coole House-Band Daft Punk einen Score, der auch von Alles-Bedröhner Hans Zimmer sein könnte. Einmal unterhalten sich Vater und Sohn darüber, was sich in der Zwischenzeit draußen technisch so getan hat. W-Lan?, fragt Flynn. Ja, an so was habe er 1985 gedacht. Ihm glaubt man das sofort, schon wegen des visionären Schreibtisch-Touchscreens. In weiteren 25 Jahren aber dürfte von „Tron: Legacy“ nicht mehr übrig sein als, sagen wir, ein staubiger Disneypark-Ride.

In 19 Berliner Kinos; Originalfassung im Cinestar SonyCenter

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