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Schönling auf Abwegen. Dorian Gray (Ben Barnes) im Opiumrausch.

© Concorde

Filmrezension: Schöner klonen

Klassiker, reloaded: Oliver Parkers "Bildnis des Dorian Gray" für die Generation Multiplex. Oscar Wildes einziger Roman hat auch fast 120 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung kaum an Faszination verloren.

Wie Shakespeares „Romeo und Julia“ oder Goethes „Faust“ ist die Geschichte des schönen Jünglings, der durch den Zauber eines Gemäldes ewige Jugend erlangt, eine Geschichte, die dem kulturellen Weltgedächtnis für die Ewigkeit eingeschrieben scheint.

Mehr als ein Dutzend Adaptionen des Klassikers weist die Filmgeschichtsschreibung bereits auf. Der britische Regisseur Oliver Parker hat diese ForeverYoung-Story nun für die Generation Multiplex aufgearbeitet. Parker stellte bereits mit „Der ideale Ehemann“ (1999) und „Ernst sein ist alles“ (2002) sein Gespür für Wildes süffisante Gesellschaftsdramen unter Beweis. In seiner Verfilmung von „Dorian Gray“ wirft er die üblichen Behäbigkeiten des Kostümfilms beherzt über Bord und inszeniert eine saftige Version des Klassikers, die auch vor Horrorfilm-Elementen nicht zurückschreckt.

Als Dorian Gray (Ben Barnes) in London ankommt, ist er ein staunender unschuldiger Jüngling. Die Londoner Gesellschaft findet Gefallen an dem Schönling – und das Porträt, das der Maler Basil (Ben Chaplin) von ihm anfertigt, ist ein umjubeltes Kunstwerk. Aber schon bald nimmt der zynische Lebemann Lord Henry Wotton (Colin Firth) den Novizen unter seine Fittiche, führt ihn in das durchaus lustbetonte Londoner Nachtleben und die Kunst des Hedonismus ein.

Mit expressiver Wucht treibt Parker seinen Helden durch dunkle Gassen, Spelunken, Hinterhoftheater und Edelbordells der viktorianischen Metropole, die mit einigen allerdings weniger überzeugenden Digital-Rekonstruktionen aufgepeppt wurde. Lange Schatten, düstere Bildkompositionen und ein bebender Orchestergraben begleiten die Reise des Dorian Gray in die Abgründe der eigenen Seele. Der Mord an Basil dann wird als veritables Blutbad inszeniert. Kein Wunder, seine ersten Schritte im Kino hat Oliver Parker als Schauspieler schließlich in „Hellraiser“ des Horrorfilm-Veteranen Clive Barker unternommen.

Offensichtlich sollen auch das GothicDesign und die blutigen Exkurse dazu dienen, die jüngere Kinogeneration an den Stoff heranzuführen. Als klarer Fehlgriff erweist sich dabei allerdings die Besetzung von Ben Barnes, der als Prinz Caspian in „Die Chroniken von Narnia“ die Teenagerherzen eroberte. Hübsch, aber charismafrei gleitet Barnes an der Oberfläche der Hauptfigur entlang und sieht neben dem formidablen Colin Firth trotz ewiger Jugend ziemlich alt aus.

Um die Zielgruppe nicht mit dem Verdacht auf Literaturunterricht zu vergraulen, enthält sich Parker fast völlig einer Interpretation des vieldeutigen Stoffes. Der homoerotische Subtext wird auf einen flüchtigen Kuss heruntergedimmt. Deutlich merkt man der Adaption die Kompromisse an, mit denen um die Kriterien der Jugendschutzgremien herumnavigiert wird, wodurch der vergnügungsorientierte Lustgewinn des jungen Helden in gängigen Versündigungsklischees steckenbleibt. Aber selbst wenn Parker seine Anbiederungsversuche übersteuert, bleibt in dieser sehr durchwachsenen Inszenierung die mythische Wucht ihrer Story erhalten. Und die die hat über den falschen Glanz der Schönheit und die dunklen Abgründe, die sich dahinter verbergen, auch im Botox-Zeitalter noch eine Menge zu sagen.

In zwölf Berliner Kinos; OV im Cinestar Sony-Center

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