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Kinostarts - "Die Päpstin"

© dpa

Filmstart: Die Päpstin - Husch, husch, die Waldfee!

Immer hereinspaziert ins finstere Mittelalter: Sönke Wortmanns Bestseller-Verfilmung „Die Päpstin“.

Wer hätte das gedacht: Ausgerechnet John Goodman, reichlich spät im Spiel, gibt als Papst Sergius dem dahineiernden Geschehen eine Art Drive. Von eher barocker denn frühmittelalterlicher Leibesfülle und mit einem Gesicht, dessen Dimensionen jeden wandfüllenden Gobelin sprengen könnten, gibt er locker den genussfähigen Stellvertreter Gottes und ist sogar stets für ein Späßchen zu haben. Gegrüßet seist du, Papst Sergius, und gebenedeit die Frucht deiner Schauspielkunst! Oder so ähnlich.

Dabei hatte es für John Goodman erst gar nicht so gut ausgesehen – angesichts der Produktionsgeschichte dieses Films, die noch verwinkelter daherkommt als so manche Papstwahl im mittleren 9. Jahrhundert. Denn er gehört zu dem prominenten Aussteiger-Trio, das in der zehnjährigen Vorbereitungsarbeit für allerhand Schlagzeilen sorgte. Erst wurde der als Regisseur angeheuerte Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff geschasst, weil er sich in einem Artikel, wohl auch im Blick auf „Die Päpstin“, despektierlich über sogenannte Amphibienfilme geäußert hatte – Kinolangfilme, deren Auswertung als noch längerer TV-Zweiteiler bereits beim Dreh mitbedacht werden muss. Dann sprang die als Päpstin gecastete Franka Potente ab. Zuvor schon hatte sich John Goodman aus dem Staube zu machen versucht, ließ sich aber offenbar zur Vermeidung hohen Schadenersatzes in das Projekt zurücknötigen.

Ob das der Grund ist, weshalb Goodman nun besonders fleißig aufdreht – und dem Vorhaben, das sich eher behäbig einem irgendwie historischen Drama verpflichtet sieht, komödiantische Abglanzlichter aufsetzt? Ob er gar ein sardonisches Vergnügen daran hatte, Johanna Wokalek, die den zu seinem Leibarzt aufgestiegenen Mönch Johannes Anglicus verkörpert, neben seiner raum- bis romfüllenden Statur nachgerade anämisch wirken zu lassen? Sagen wir: John Goodman hat seinen Job gemacht – in einer Großproduktion, die über 20 Millionen Euro gekostet hat (davon ein Viertel deutsches Fördergeld). Alles andere sagt sein Augenzwinkern.

Doch halt! In „Die Päpstin“ geht es nicht etwa um die hübsche Episode eines dicken Papstes, welchselber leider alsbald gewaltsam verscheidet, sondern um, ganz recht, die Päpstin. Um jene von katholischen wie protestantischen Theologen ins Reich der Legenden verwiesene Geschichte, wonach um 850 eine als Mann verkleidete Frau für ein paar Wochen oder gar Jahre – horribile dictu! – Stellvertreterin Gottes gewesen sein soll. Und weil Verschwörungstheorien gerade im Schmöker- sowie Schmökerfilmwesen die bekömmlichsten Theorien sind, hat die US-Autorin Donna Woolfolk Cross vor 13 Jahren ihren einzigen Roman zu just diesem Thema veröffentlicht. Was, wenn die Kirche dieses das Patriarchat konterkarierende Histörchen bloß jahrhundertelang unterm Deckel gehalten hat? Schon war „Die Päpstin“ geboren – hierzulande soll das Werk fünf Millionen Leserinnen und wohl auch Leser in seinen Bann geschlagen haben.

Kein Wunder, dass mit der Constantin der mächtigste deutsche Produzent und Verleih vor fünf Jahren definitiv zugriff, nachdem die Konkurrenz mit dem Projekt nicht zu Potte gekommen war. Seit Jahrzehnten weiß Constantin-Übervater Bernd Eichinger Print-Bestseller in Leinwand-Bestseller zu verwandeln und hat dieses nur bedingt risikofreudige Geschäft von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ bis zum „Parfum“ beeindruckend konsequent durchgezogen. Und man muss kein christlicher Spökenkieker sein, um auch der „Päpstin“ eine schöne Karriere im Kino zu prophezeien – zumal nach dem Rauswurf des unberechenbar kunstsinnigen Volker Schlöndorff mit Sönke Wortmann ein äußerst geschmeidiger Regisseur übernahm.

Doch wagen wir das Sakrileg – und gießen Wasser in den süßen Wein dieses 148-minütigen Weihespiels. Schließlich mahnt die Päpstin selbst in einer ihrer Sentenzen: „Wir müssen zu unseren Überzeugungen stehen, auch wenn der Preis dafür hoch sein mag.“ Auch kann der Zuschauer mitunter gar nicht anders, als Donna W. Cross’ Stoßseufzer auf Seite 522 zu folgen: „Plötzliches Entsetzen packte ihr Inneres wie mit eisiger Faust.“ Oder ist es eher jenes bleierne Unbeteiligtsein, das einen etwa angesichts einer eifrig vorbereiteten Schulaufführung erfassen mag, bei der sich jegliches Spielverderbertum verbietet?

Ja, „das Kino-Ereignis des Jahres“, so steht’s auf dem Buchdeckel der frisch nachgedruckten „Päpstin“-Taschenbuchausgabe, ist fast durchweg von markerschütternder Betulichkeit. Der allwissende Nacherzähler der fiktiven Päpstinnen-Biografie führt mit Schulfunkstimme durch das Stationendrämchen – vom patriarchalischen Papa (superböse: Iain Glen), der der kleinen Johanna von Ingelheim das Lesen und Schreiben untersagt, über die vom freundlichen Abt (superlieb: Christian Redl) beseelten Jahre nach der Flucht ins Kloster Fulda bis zum Wiedersehen in Rom mit Gerold (supersanft: David Wenham), Johannas früher und einziger irdischer Liebe.

Die Reise führt zunächst lange durch dunkle Wälder und Abteien über freilichtmuseale Dörflein und Marktplätze. Die Endstation Rom figuriert mehrfach als Computer-Vedute von verwaschener Aquarellhaftigkeit, um dann im marokkanischen Ouarzazate sonnendurchflutet aufzuerstehen. Auftritt John Goodman, und alles wird gut. Nur dass man sich nach der sich hinziehenden Nachtreise durch Allerweltsteutonien plötzlich geblendet sieht. Ein kräftiges Aroma von „Asterix und Obelix gegen Caesar“ durchweht auf einmal das Epos – wobei vor allem Papstkiller Anastasius (Anatole Taubman) in Uderzos und Goscinnys Welt einen tollen römischen Schurken abgeben könnte.

Fehlt nur Johanna Wokalek, die Hauptdarstellerin. Kein Zufall – so zurückhaltend ist ihr Spiel, als wäre sie lieber Neben-Akteurin geblieben. Die Lovestory mit Gerold: ohne jeden Eroberungszauber. Ihr Aufstieg in der klerikalen Hierarchie: immer bloß dienend. Und auch auf den Papstthron gerät sie wie eine Figurantin: husch, husch, die deutsche Waldfee. Überhaupt scheint es, als arbeite auch der Regisseur das feministische Pflichtprogramm bloß ab, um sich umso lustvoller dem Männer-Politintrigenstadl hinzugeben. Immerhin hat Wortmann für die Constantin in den Neunzigern die Bestseller „Der bewegte Mann“, „Das Superweib“ und „Der Campus“ verfilmt. Da weiß mann, was mann hat.

Andererseits muss man kein Mann sein, um Lobpreisungen mittelalterlicher Frauenfiguren so blutleer zu gestalten. Gerade hat Margarethe von Trotta mit „Vision“ ihre Huldigung der immerhin historisch verbürgten Kräuterheiligen Hildegard von Bingen ähnlich inspirationsarm in den Sand gesetzt. So müde wie Wortmann häkelte sie ihre Story: Kreuzgänge, Kerzen, Choräle, Selbstkasteiung, Gertengeißel – fertig ist das finstere Mittelalter. Nur dass bei der in Englisch gedrehten „Päpstin“ die leiernde Synchronfassung zusätzlich quält – mit allerlei Stimmen, denen man eilig einen Besuch beim Sprecherzieher wünschen möchte.

Das Mittelalter: Ach, es mag ja in Mode sein in gegenwartsmüden Zeiten! Die Zukunft des deutschen Kinos ist es nicht.

Ab Donnerstag in 23 Berliner Kinos; OV im Cinestar SonyCenter 

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