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Forum: Berliner Gangster

Thomas Arslans "Im Schatten" erzählt von mittelmäßigen Menschen. Aber der Film ragt weit über jedes Mittelmaß hinaus.

Der Berliner Spätsommer schlägt bereits um in den Herbst. Der Himmel ist grau, manchmal spuckt er verächtlich Regen herunter. Ein Mann (Mišel Matimevik), der den Namen Trojan trägt, wird aus dem Knast entlassen. Er ist groß, gutaussehend, dunkle Lederjacke, die Arme stecken breit in den Seitentaschen. Fünf Jahre saß er ein. Jetzt will er seinen Anteil von einst zurück. Und: Er ist auf der Suche nach neuen Jobs. Trojan verliert wenig Worte – er ist ein Mann der präzisen Tat. Über eine Pflichtverteidigerin (Karoline Eichhorn), die ihn liebt, erhält er Hinweise für einen Coup. Doch schon bald hat er Verfolger am Hals, darunter einen schmierigen Kommissar (Uwe Bohm), der an ihm klebt wie eine unsichtbare Klette. Auch ein paar miese Schergen heften sich an seine Fersen.

Solche Geschichten werden im Kriminalgenre immer wieder erzählt – doch selten so, wie Thomas Arslan es in seinem Film „Im Schatten“ macht. Arslan ist ein eisern konsequenter Regisseur, der seinen kargen, exakten Stil (Berliner Schule!) nicht preisgibt, bloß weil er mal ins Genrekino wechselt. Seine Gangster sind keine coolen Sprücheklopfer wie Tarantinos „Reservoir Dogs“. Sie umgibt nicht die existenzialistische Aura der Helden von Jean-Pierre Melville. Auch die Melancholie und obsessive Getriebenheit, die man aus den Filmen Michael Manns kennt, geht ihnen ab.

Arslans Figuren sitzen in Hotelzimmern und Mietwohnungen, in trostlosen Einkaufspassagen und Billigrestaurants. Und sehr oft sitzen sie auch nur hinterm Steuer und bahnen sich ihren Weg durch den Asphaltdschungel: Friedrichstraße, Kottbusser Tor, die Brache hinter dem Hauptbahnhof. Eine Autowerkstatt. Ein Wettbüro. Ein paar Tiefgaragen. Der Film ist still dabei. Er beobachtet seine Figuren beim fokussierten Handeln – und sehr häufig beobachtet er sie auch beim Beobachten. In klaren, aufgeräumten Einstellungen.

Psychologisierende Informationen über die Protagonisten sind ebenso sparsam gestreut wie ihre Dialoge. Es gibt wenig Action-, Suspense- oder gar Schockmomente – Effekte, die das Kriminal- und Gangstergenre sonst so gerne nutzt. Nur manchmal hört man dunkle Musik oder eine weite Soundlandschaft tut sich auf. Woher kommt also der Sog dieses unaufgeregten Beobachtungskinos, das den Zuschauer ab der ersten Minute in seinen Bann zieht?

Ein Grund: Arslans elliptische Erzählweise, die sich bis in den ausdrucksarmen Schauspielstil hinein verfolgen lässt. Wo viel ausgelassen wird, muss der Zuschauer selbst mit Imaginationsauffüllungen tätig werden. Zum anderen liegt es an einem ästhetischen Prinzip, für das der amerikanische Kunsttheoretiker Michael Fried den Ausdruck „Absorption“ populär gemacht hat: die Darstellung von Figuren, die tief in ihren Handlungen versunken sind – und denen deshalb jede distanzierende Theatralität abgeht. Anders gesagt: Die konzentrierten Handlungen der Figuren ringen dem Zuschauer selbst ein hohes Maß an Konzentration ab und ziehen ihn deshalb in die fiktive Welt hinein.

„Im Schatten“ erzählt von mittelmäßigen Menschen, aber der Film ragt weit über jedes Mittelmaß hinaus. Seine graudunkle Welt erstrahlt nicht in satten Farben, aber sie ist alles andere als farblos. Der Film verliert wenig Worte – und sagt doch genug.

Heute 21.30 Uhr (Delphi), 16. 2., 19.15 Uhr (Cinestar 8), 17. 2., 12 Uhr (Arsenal 1), 18. 2., 20 Uhr (Colosseum 1)

Julian Hanich

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