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82. Oscar Verleihung - Bigelow und Cameron

© dpa

Hollywood hat gewählt: Oscar-Analyse: Kunstfilm schlägt Kassenfilm

Überraschendes, Enttäuschendes, Umstrittenes und Progressives aus LA: Eine Analyse der Oscar-Nacht von unserem Korrespondenten Sebastian Moll.

Gerade einmal 16 Millionen Dollar hat Kathryn Bigelows Irak-Kriegs-Drama „Hurt Locker“ an den Kinokassen eingespielt – so viel wie das 3-D Spektakel „Avatar“ an einem einzigen Wochenende alleine in Italien. Der erst siebte Film der kalifornischen Regisseurin in 20 Jahren war am Publikumszuspruch gemessen der David im Kampf um die Oscars; Avatar, der die Rekordsumme von zwei Milliarden Dollar in die Taschen seiner Produzenten gespült hatte, der Goliath. Und doch hat Bigelow mit ihrem Streifen das Rennen gemacht.

Kurz vor Ende einer langen Oscar-Nacht nahm Bigelow den Preis für die beste Regie entgegen –als erste Frau in der Geschichte der Oscars.  Damit hatte man noch gerechnet. Der vergleichsweise kleine, künstlerisch wertvolle  Film, so die Prognosen, würde einen Ehrenpreis bekommen. Avatar hingegen galt eindeutig als Favorit für den Hauptpreis der Branchengala, den Oscar für den besten Film. Avatar hatte schließlich nicht nur die Kassenrekorde gebrochen, sondern durch seine revolutionäre Animationstechnologie neue Wege für die Zukunft des Kinos insgesamt aufgezeigt.

Doch die Filmakademie von Hollywood blieb ihrer Politik der vergangenen Jahre treu, die Kunstfilme zu belohnen und nicht die Kassenfilme. 2006 wurde der sozialkritische Episodenfilm „L.A. Crash“ ausgezeichnet, 2008 die Literaturverfilmung „No Country for old Men“ und im vergangenen Jahr  „Slumdog Millionär“, ein Märchen aus den indischen Slums. In diesem Jahr war es nun der „Hurt Locker“.

Der „Hurt Locker“, die Geschichte eines Sonderkommandos zur Entschärfung von improvisierten Sprengsätzen im Irak, war von Anfang an ein Erfolg bei der ernsthaften Kritik. Die "New York Times" bezeichnete ihn als den besten Film, der bislang über den Irak-Krieg gedreht wurde, nicht zuletzt, weil er völlig unpolitisch ist und sich stattdessen auf die persönliche Erfahrung des Krieges konzentrierte. Entsprechend jubilierte das Blatt über die Entscheidung der Filmakdemie:  “Das zeigt doch, dass in Hollywood nicht nur Geld und Hype wichtig sind.“  Eine eindeutige Spitze gegen Avatar, der in der Produktion eine Viertelmilliarde Dollar gekostet hatte.

Nicht einmal die Kontroversen um "Hurt Locker", die in den letzten Tagen aufkamen, konnten dem Oscarglück des Films noch etwas anhaben. Zuerst verklagte ein Irak-Veteran die Produzenten des Films auf Anteile an den Rechten auf  die Geschichte. Er sei das Vorbild für die Hauptfigur, des todessehnsüchtigen Sergeant James, gewesen, habe aber dafür keine Anerkennung erfahren. Zudem wurde noch ein Produzent des Hurt Locker von der Oscar Zeremonie ausgeschlossen, weil er mit einer email-Kampagne bei den Oscar-Juroren auf fragwürdige Weise für die Nominierung des Films geworben hatte

Vom Triumph von "Hurt Locker" über "Avatar" abgesehen, gab es am Sonntag in Hollywood allerdings nur wenig Überraschungen. Der Abend begann mit der Auszeichnung  von Christoph Waltz für die beste Nebenrolle als SS-Offizier Hans Landa in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“. Die "New York Times" hatte die Figur als die vielleicht „ultimative Tarantino Figur“ bezeichnet, einen Charakter von schwindelerregender Vielseitigkeit. Waltz war nach langer Suche  der einzige gewesen, der den vielen Anforderungen Tarantinos für diese Rolle gerecht wurde und galt deshalb seit dem Filmstart als klarer Oscarfavorit. 

Ebenso unumstritten war die Auszeichnung von Sandra Bullock für die weibliche Hauptrolle. Die 45-Jährige hatte im vergangenen Jahr nach einem Karriereknick das erfolgreichste Jahr ihrer Karriere. Mit der Rolle als wohlhabende weiße Ziehmutter eines obdachlosen schwarzen Junge in „Blind Side – Die große Chance“ war ihr endlich der erfolgreiche Wechsel von ihren ewigen Rollen in romantischen Komödien ins Charakterfach gelungen, an dem sie sich seit Jahren versucht hatte. Der Oscarerfolg bestätigt nun nach dem Kassenerfolg für "The Blind Side", dass sie diesen Sprung geschafft hat.

Auf eine noch längere Karriere als Bullock, die 1987 ihren ersten Film drehte, schaut der Preisträger für die beste männliche Hauptrolle Jeff Bridges zurück. Wie Bullock hatte Bridges es trotz 40 Jahren unermüdlichen Schaffens und einiger ganzen Reihe hochgelobter Parts bislang noch zu keinem Oscar gebracht. Seine Auszeichnung wurde deshalb so sehr als Auszeichnung für sein Lebenswerk gesehen, wie für seine Darstellung eines abgehalfterten Countrysängers in "Crazy Heart". Zu den Höhepunkten seines Schaffens hatte die Figur des „Dude“ in dem  Film der Coen-Brüder „The Big Lebowski“ gehört, sowie die Hauptrolle in den „Fabelhaften Baker Boys“ zusammen mit seinem Bruder Beau und Michelle Pfeiffer Ende der 80er Jahre.

Selbstverständlich gab es auch Enttäuschungen im Kodak Theater am Hollywood Boulevard. So ging der Österreicher Michael Haneke leer aus, dessen Film „Das weiße Band“ in der Kategorie des besten fremdsprachlichen Film hoch gehandelt worden war. Und auch Gaborey Sidibe, die Sensation des Jahres, die ihr Leinwanddebüt als das misshandelte, übergewichtige schwarze Mädchen Precious in dem gleichnamigen Film gegeben hatte, hatte sich Hoffnung auf den Darstellerpreis gemacht. „Precious“ bekam zwar einen Oscar für das beste Drehbuch und die schwarze Fernseh-Talkerin Monique wurde für die beste Nebenrolle als Mutter von  „Precious“ geehrt.

Einem 168 Kilo schweren schwarzen Mädchen wollte Hollywood dann aber wohl trotz der allgemeinen Begeisterung für Sidibe in den USA doch lieber keinen Oscar geben. Die Ehrung einer Frau als beste Regisseurin war für die Herren von der Filmakademie schon progressiv  genug.

Sebastian Moll

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