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So finster die Nacht

© MFA

Horrorfilm: "Nicht zu viel Licht auf die Vampir-Geschichte werfen"

"So finster die Nacht" ist Horrorfilm und Jugenddrama zugleich. Ein Gespräch mit Regisseur Tomas Alfredson über Bullying, Drehbücher und die Arbeit mit Kinderschauspielern.

Ist Ihr Film für Kinder geeignet?

Vielleicht für Jugendliche ab 15 Jahren. Der Film enthält sehr viel Gewalt.

Der zwölfjährige Oskar trifft auf das Vampirmädchen Eli. Wie würden Sie deren Verhältnis beschreiben?

Oskar wird in der Schule stark gehänselt. Er hat keine Freunde oder Ansprechpartner für seine Probleme. Nicht mal mit seinen Eltern kann er darüber reden. Plötzlich taucht dieses Mädchen Eli auf, das sich als Vampir herausstellt und Oskars Beschützerin wird. Sie verlieben sich ineinander, insofern ist der Film sehr romantisch.

Besonders die schauspielerische Leistung des Mädchens ist bemerkenswert. Sie scheint gleichzeitig zwölf und hunderte Jahre alt zu sein. Wie waren die Dreharbeiten mit den beiden Darstellern von Eli und Oskar?

Ich denke, zwölfjährige Schauspieler sollten nicht zu viel Verantwortung übernehmen. Sie sind schlicht zu jung dafür. Kinder in diesem Alter sind sehr gut darin, etwas unmittelbar darzustellen. Es macht nicht so viel Sinn, ihnen die ganze Story zu erklären, die über einen Zeitraum von sechs Monaten läuft, ihnen zu sagen: Am Anfang bist du dies und am Ende jenes. Ich habe den beiden also nicht das Drehbuch gezeigt. Stattdessen habe ich ihnen jeden Tag von Neuem gesagt, was sie zu tun haben. So lernten sie die Story nach und nach kennen. Ich habe ihnen ihre Dialoge laut vorgelesen. Sie haben durchs Zuhören gelernt, nicht durchs Lesen.

Sie haben schon vorher Kinder-TV-Serien und -Filme gedreht ...

Ja, ich habe viel in dieser Richtung gemacht und bin recht erfahren im Umgang mit Kindern am Set. Es ist sehr leicht, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Häufig wird behauptet, es gebe nichts Schwierigeres, als mit Kindern und Tieren zu drehen. Mit Tieren ist das vielleicht schwer, mit Kindern nicht.

Welche Szene war am schwierigsten zu drehen?

Es gab eine Reihe von Szenen, die technisch sehr schwierig umzusetzen waren, zum Beispiel die Szene im Swimming-Pool. Für die Kinder war die schwierigste Szene vermutlich die, in der sie sich küssen mussten (lacht).

Wie lief das Casting ab?

Wir haben in Schweden keine professionellen Kinderschauspieler. Wir haben auch keine Kataloge mit Kinderschauspielern, weil die in sechs Monaten veraltet wären. Man muss also jedes Mal von vorne anfangen. Wir haben ein ganzes Jahr gebraucht, um diese Kinder zu finden, wir haben in ganz Schweden nach ihnen gesucht. Die Suche war auch deshalb schwierig, weil die beiden "eine Seele" haben mussten. Ich sehe Oskar und Eli als zwei Seiten einer Münze.

Bullying ist in Film und Buchvorlage eines der Hauptthemen. Warum?

Das Buch, auf dem der Film basiert, trägt stark autobiografische Züge - bis auf den Vampir-Aspekt natürlich. Buchautor Ajvide Lindqvist hatte als Kind eine sehr harte Zeit. Ich selbst hatte in diesem Alter ähnliche Probleme, folglich konnte ich die Handlung gut nachvollziehen.

Was können Erwachsene aus diesem Film lernen?

Bullying unter Kindern ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Gehänselte Kinder werden nicht so traurig, wie man gemeinhin denkt. Sie werden eher wütend. In Storys aus dem echten Leben wird diese Wut sichtbar. Wenn Jugendliche in der Schule Massaker verüben, ist das meist die Folge von Bullying oder gesellschaftlicher Ausgegrenztheit. Die Zusammenhänge sind sehr komplex und einfach zugleich: Wenn ein Kind viel Liebe erfährt, wird das Kind auch lieben können, wenn es gehasst wird, wird es auch hassen.

Oskar verbirgt seine Hass ...

Kinder haben die Tendenz, sehr schweigsam zu sein, wenn sie Bullying erfahren: Sie verstecken sich, wollen allein sein und nicht darüber reden. Für die meisten Kinder passiert Bullying "hinter verschlossenen Vorhängen". Die Probleme der Kinder dennoch wahrzunehmen, ist für Erwachsene sehr wichtig. Im Film sind sie blind für Oskars Probleme. Die Erwachsenen in "So finster die Nacht" sind nicht bösartig, sie passen einfach nicht genügend auf.

Im Buch ist der Mann, der für Eli Blut besorgt, ein Pädophiler. Warum taucht dieser Aspekt im Film nicht auf?

Ich wollte das nicht im Film haben, weil es eine zu komplexe Materie ist. Würdest man es im Film zeigen, würde es den Zuschauer geradezu anspringen.

Haben Sie aus dem gleichen Grund - um Komplexität zu reduzieren - Elis Vorgeschichte aus dem Film herausgelassen?

Würde man zu viel Licht auf die Vampir-Vorgeschichte werfen, bekäme sie Risse. Man könnte natürlich fragen: Warum spielt die Polizei keine Rolle? Und warum bricht Eli nicht ins Krankenhaus ein, um Blutkonserven zu stehlen? Das würde die Story aber zu stark belasten. Schweigt man hingegen über diese Dinge, wird das Ganze komplexer und damit interessanter.

Man könnte auch fragen, warum Eli wie ein Anfänger auf Jagd geht, obwohl sie als uralter Vampir doch eigentlich jede Menge Erfahrung haben müsste ...

Eli ist eine komplexe Persönlichkeit. Sie ist grausam, aber sie ist nicht bösartig. Sie versucht Gutes zu tun und zu verhindern, dass andere Menschen zu Vampiren werden. Deshalb versucht sie, all ihre Opfer zu töten.

Sind Sie in Ihrer Arbeit durch andere Vampir-Filme beeinflusst worden?

Nein, das ist das erste Mal, dass ich so ein Thema verfilme. Das Genre Vampir-Film hat mich vorher nicht interessiert. Ich versuche, meine Inspiration aus anderen Dingen zu ziehen. Zu viele Filmemacher orientieren sich heutzutage an früheren Filmen. Die Ergebnisse sind dann oft nicht so interessant.

Wodurch lassen Sie sich inspirieren?

Durch Kunst, durch Literatur und durch das Leben selbst.

Was denken Sie über das Remake Ihres Films, das Hollywood bereits plant?

Ich verstehe nicht, warum man ein Remake von einem Film dreht, der gut ist. Ich würde eher eines von einem Film machen, der nicht so gut ist. Hoffentlich werden sie das Buch neu interpretieren.

Wie könnte das aussehen?

Keine Ahnung. Ich habe über das Buch auf meine Art nachgedacht, und so ist dann auch der Film geworden. Wie das Remake wird, interessiert mich aber schon.

Infos zu "So finster die Nacht"
Originaltitel: "Lat den rätte komma in"
Regie: Tomas Alfredson
Schauspieler: Kare Hedebrant (Oskar), Lina Leandersson (Eli), Per Ragnar (Hakan)
Dauer: 114 Minuten
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