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Interview: Michael Mann: "Dillinger ist ein Bandit, Madoff ist farblos"

Regisseur Michael Mann spricht im Interview über seinen neuen Film "Public Enemies", persönliche Bezüge zum Gangster John Dillinger und den Vergleich mit der Gegenwart.

Mr. Mann, Sie haben „Public Enemies“ in Ihrer Geburtsstadt Chicago gedreht. Bedeutete das eine Art Rückkehr für Sie?



Und ob! Ein Teil des Films spielt sogar in der Gegend, in der wir gelebt haben. Ich erinnere mich, als ich acht oder neun Jahre alt war und wir die Lincoln Avenue entlangfuhren, sagte mein Vater zu mir: „Da ist das Biograph-Kino – das ist der Ort, an dem John Dillinger, der Bankräuber, erschossen wurde.“ Dillinger hat uns Kinder damals ziemlich fasziniert.

Das war Anfang der fünfziger Jahre?

Ja, aber der Look der Stadt hatte sich kaum verändert. In den USA ist die Börse 1929 zusammengebrochen. Während der Depression und des Zweiten Weltkriegs wurde nicht gebaut. Da die meisten Gebäude in den Zwanzigern errichtet worden sind, waren sie 1933 noch glänzend. Als ich ein neunjähriger Bub war, sahen sie immer noch ziemlich gleich aus.

Ihre Filme liefern gewöhnlich Porträts der Gegenwart. Dieses Mal konnten Sie nicht auf eine Stadt von heute zurückgreifen.

Wir mussten sämtliche Kopfsteinpflasterstraßen nachbauen. Dennoch konnten wir viel in Chicago drehen. Und in Wisconsin gibt es faszinierende Kleinstädte, die seit den 1920er Jahren kaum verändert worden sind.

War diese Arbeitsweise ungewohnt?

Nein. Es ist zwar richtig, dass ich die zeitgenössischen Stadträume, wie ich sie in „Heat“ oder „Collateral“ zeige, sehr aufregend finde. Aber ich drehe auch gerne Historienfilme. Tatsächlich ist der einzige Film, zu dem ich eine Fortsetzung drehen würde „Der letzte Mohikaner“. Das würde mir eine Rückkehr ins 18. Jahrhundert erlauben. Und hätte jemand ein gutes Drehbuch zum Leben von Jean Laffite, einem Piraten aus dem späten 18. Jahrhundert, würde ich das sofort machen.

War diese Lust am Period Piece auch der Grund für Ihre Neugier auf John Dillinger?

Ich mochte schon den Film meines Freundes John Milius mit Warren Oates als Dillinger. Was mich beeindruckt hat, war die Tatsache, dass sich die Gangster dieser Zeit kannten und sogar gemeinsam auf Reisen gingen. Deshalb heißt der Film auch „Public Enemies“ – im Plural.

Sehen Sie Parallelen zwischen Dillinger und jemandem wie Bernie Madoff, einem Gangster der Wirtschaftskrise von heute?

Ich glaube, die Unterschiede sind ziemlich groß. Dillinger ist eigentlich ein Bandit aus dem 19. Jahrhundert. Madoff dagegen ist farblos. Er ist vermutlich psychisch krank – ein Mann, der seine eigenen Geschichten geglaubt hat und gedacht hat, er sei unverwundbar.

Die Fragen stellte Julian Hanich.

Michael Mann, geboren 1943 in Chicago, studiert an der London Film School und arbeitet zunächst fürs Fernsehen, u.a. als ausführender Produzent für die Serie „Miami Vice“. Filme u.a.: „Der Einzelgänger“ (1981), „Der letzte Mohikaner“ (1992), „Heat“ (1995), „Ali“ (2001), „Collateral“ (2004), „Miami Vice“ (2006).

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