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albert

© Schambach

Interview: "Politik spielt keine Rolle"

Regisseurin des Films "Fallen", Barbara Albert, über Frauen, Sehnsüchte. Außerdem spricht die gebürtige Wienerin über den Unterschied zwischen Berlin und ihrer Heimatstadt.

Frau Albert, „Fallen“ ist ein Film über Frauen um die Dreißig, Sie haben ihn gedreht, als Sie selbst in dem Alter waren. „Nordrand“, sieben Jahre zuvor entstanden, war ein Film über Menschen um die 18. Wachsen Ihre Filme mit Ihnen mit?

„Nordrand“ war sehr autobiografisch, ich wollte damals ein paar Dinge zeigen, die mit meiner Herkunft zu tun haben. „Nordrand“ war mein Wienfilm. „Fallen“ ist viel reduzierter. Ich habe mich mehr an meinen Schauspielerinnen orientiert als an mir. Der Film ist eher ein Stimmungsfilm als ein Storyfilm.

Die fünf Klassenkameradinnen treffen sich nach 14 Jahren wieder. Wollten Sie untersuchen, ob und wie man sich im Lauf der Jahre verändert?

So grundsätzlich frage ich gar nicht. Es ist kein psychologischer Film. Dann hätte ich viel mehr erklären müssen über die einzelnen Frauen, darüber, was mit ihnen passiert ist. Ich mag es, dass diese Frauen bei ihrem Wiedersehen nur über Oberflächlichkeiten sprechen. Das ist normal. Immer, wenn ich versucht habe, mehr Tiefe in die Dialoge zu bringen, wurde es peinlich.

Die Gespräche wirken sehr frisch und natürlich. Wie stark wurde beim Dreh improvisiert?

Überhaupt nicht. Ich improvisiere nur beim Casting und in der Probenzeit. Wenn die Sätze dann im Drehbuch stehen, will ich, dass sie so bleiben. Nicht aus Eitelkeit, sondern weil man schnell ins Schwafeln kommt. Oberflächlichkeiten müssen besonders gut sitzen.

Es gibt in Ihrem Film einige kurze Flashs in Schwarz-Weiß, Bilder von Himmel und Wolken. Warum?

Fast hätte ich den ganzen Film in Schwarz-Weiß gedreht und nur die Erinnerungssequenzen in Farbe. Aber dann fand ich diese schwarz angezogenen Frauen in dieser grünen Landschaft so ein starkes Bild. Die Schwarz-Weiß-Bilder stehen für Sehnsüchte, die vergangen sind. Der ganze Film handelt davon, dass diese Frauen ihre Träume erneuern und vielleicht auch ein bisschen runterschrauben.

Anders als „Nordrand“, der von den Folgen des neuen Balkankriegs, von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt erzählte, ist „Fallen“ ziemlich privat. Ist Politik im heutigen Österreich nicht mehr das Thema?

Politik war in den Jahren 1999 und 2000 ein großes Thema in Österreich, in den letzten Jahren weniger. Aber das liegt vielleicht auch an meiner persönlichen Situation. Ich habe gemerkt, dass Politik bei Leuten in meinem Alter oft kein Thema mehr ist. Anders als bei den 16- bis 20-Jährigen. Deshalb auch die Szene in der Schule, wo die heutigen Jugendlichen so engagiert diskutieren. Es ist ja nicht so, dass die ganze Welt politikverdrossen ist. Aber in der Lebenssituation dieser Frauen spielt Politik keine Rolle.

Im deutschen Film ist viel von der Berliner Schule die Rede als einer Gruppe von Regisseuren, die sich für ähnliche Themen oder Ästhetiken interessieren. Gibt es auch eine Wiener Schule?

Wien ist relativ klein. Es kennen sich einfach alle. Dadurch gibt es einen starken Austausch. Unsere Filme kommen recht hart daher – das hat vielleicht damit zu tun, dass wir unabhängig vom Fernsehen produzieren. Schon auf der Filmschule haben uns nie Redakteure unterrichtet. Wenn ich früh gestutzt werde, weil ich sonst keine Filme machen kann, denke ich automatisch in engen Grenzen. Wir haben uns frei gefühlt. Aber es gibt in Österreich einen Streit darüber, ob man sich anpassen und kommerzieller werden soll. Aber es ist eigentlich eine Neunziger-Jahre-Diskussion. Heute herrscht eher die Panik, dass das Kinopublikum überhaupt abhandenkommt.

Das betrifft vor allem den europäischen Film, der sich untereinander kaum wahrnimmt. Was bekommt man denn in Österreich vom deutschen Film mit?

Im Kino fast nichts. Aber es gibt durchaus eine Verbindung zwischen Berlin und Wien: Wir haben Benjamin Heisenbergs „Schläfer“ mitproduziert, Valeska Grisebach war mit uns an der Filmschule, auch zu Christoph Hochhäusler gibt es Kontakt. Aber ich habe das Gefühl, die Berliner Schule definiert sich mehr über formale Aspekte. Bei uns unterscheiden sich die Filme formal vielleicht stärker voneinander; inhaltlich geht es uns allen um einen genauen Blick auf die Realität.

Mit Ihrem ersten Film „Nordrand“ wurden Sie zur Stimme des neuen österreichischen Kinos ausgerufen. Solch früher Lorbeer kann ziemlich belastend sein.

Im Gegenteil, für mich war das gut. Das hat vielleicht auch mit einer gewissen weiblichen Unsicherheit zu tun. Oder eher mit fehlendem Selbstverständnis, was die Rolle als Regisseurin angeht. Bei „Böse Zellen“ kamen dann die ersten vernichtenden Kritiken. Das hat mich wieder demütiger gemacht, und grundsätzlich ist Demut und Respekt vor dem Medium nicht schlecht. Aber die Lust am Machen kommt erst durch Bestätigung.

Ist fehlendes weibliches Selbstbewusstsein im Filmgeschäft überhaupt noch ein Thema?

Noch vor wenigen Jahren haben mich Journalisten gefragt: „Und wie macht man das so als Frau am Set?“ Entweder gilt man als Frau als hysterisch, weil man sich durchsetzen will, oder, wenn man nicht so sicher auftritt, als eine, die nicht weiß, was sie will. Das ist wie in der Politik. Eine österreichische Zeitung hat in den letzten Tagen über Hillary Clinton geschrieben: „Zuerst weint sie, dann gewinnt sie.“ So etwas würde man nie über einen Mann schreiben.

Das Gespräch führte Christina Tilmann.

Barbara Albert, geboren 1970 in Wien, wurde 1999 mit ihrem Spielfilmdebüt „Nordrand“ bekannt. Es folgten „Böse Zellen“ (2003) und „Fallen“, der 2006 auf dem Filmfest Venedig lief.

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