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Interview: Wer lacht, überlebt

Regisseurin Marjane Satrapi über Freiheit und Zensur – und die Kunst, ein Auto zu warten.

Warum haben Sie das Medium des Comics gewählt, um diese persönliche und politische Geschichte zu erzählen?

Zeichnen ist die universellste Sprache auf der Welt. Bevor der Mensch anfing zu schreiben, hat er gezeichnet. Zeichnungen sind eine sehr lebendige und direkte Ausdrucksform. Dadurch, dass ich meine eigene Biografie in Zeichnungen abstrahieren musste, wurde daraus eine allgemeingültigere Geschichte. Comics ermöglichen mir genau die Art von Humor und Distanz, die ich gesucht habe.

Humor gilt als Waffe gegen Diktaturen.

Ja, es ist die beste. Aber ich habe deshalb auch viel Kritik einstecken müssen. Für manche Leute ist das Sujet mit zu vielen schmerzhaften Erinnerungen verbunden, als dass sie darüber lachen könnten. Aber für mich ist Humor eine Frage des Überlebens.

Als „Persepolis“ im Mai in Cannes Premiere feierte, hat der iranische Kultusminister gegen die Aufführung protestiert. Hat Sie das überrascht?

Es ist ein bisschen seltsam, dass erst mit der Aufführung in Cannes eine offizielle Reaktion kam. Die Comics sind ja schon einige Jahre auf dem Markt.

Und Ihr Film: Wird der als DVD demnächst in Teheran konspirativ auf dem Schwarzmarkt verkauft?

Bestimmt. Die Leute im Iran finden immer einen Weg, an verbotene Literatur, Musik oder Filme heranzukommen.

Ihre Kindheit war von radikalen gesellschaftlichen Umwälzungen geprägt. Wie sind Sie damit umgegangen?

Der Mensch hat die seltsame Gabe, sich sehr schnell mit Veränderungen zu arrangieren und sie als normal zu akzeptieren. Das ist einerseits gut, weil es uns ermöglicht, auch in widrigen Situationen nach vorne zu schauen. Andererseits bleiben die schlechten Situationen bestehen.

Gegenüber dem islamischen Fundamentalismus, der das öffentliche Leben im Iran bestimmt, erscheint ihre Familie im Film als Festung der Liberalität.

Ich bin in einer sehr weltoffenen Familie aufgewachsen, konnte meine eigenen Erfahrungen machen und ins Ausland reisen. Aber der eigentliche Reichtum meiner Familie war der freie Geist, der bei uns herrschte. Meine Eltern haben nie gesagt: Das kannst du nicht, weil du ein Mädchen bist. Mit elf hat mein Vater mir beigebracht, wie man Auto fährt und einen Ölwechsel macht.

Wenn man als Exil-Iranerin einen Film wie „Persepolis“ macht, muss man damit rechnen, auf absehbare Zeit nicht wieder in die Heimat zurückkehren zu können. Wie gehen Sie damit um?

Natürlich habe ich mir diese Frage immer wieder gestellt. Aber für mich war es notwendig, dieses Buch und den Film zu machen – auch wegen der Vorurteile, die im Westen gegenüber dem Iran und dem Nahen Osten vorherrschen. Ich wollte eine Innenansicht liefern. Nicht die allein selig machende Wahrheit, sondern eine Sicht, die viele Fragen offenlässt. Nur Fanatiker haben auf alles eine Antwort. Deshalb begreife ich „Persepolis“ auch als Arbeit gegen den Fanatismus.

Heute sind 65 Prozent der Studierenden im Iran Frauen. Glauben Sie, dass das die iranische Gesellschaft verändern wird? Wie schätzen Sie die aktuelle politische Situation im Iran ein?

Der größte Feind der Demokratie ist die Kultur des Patriarchats. Alle diese Frauen, die jetzt studieren und ökonomisch unabhängig werden, bedeuten einen wichtigen Schritt in Richtung Demokratisierung. Aber wir wissen natürlich auch, dass der Iran wegen der heutigen weltpolitischen Lage keine guten Voraussetzungen für eine Demokratisierung hat. Wenn die USA gegen den Iran in den Krieg ziehen sollten, wird das Regime im Namen des Kampfes gegen den äußeren Feind die innere Opposition ausmerzen. Politische Veränderungen müssen von innen wachsen. Sie lassen sich nicht herbeibomben. Man muss sich nur die Entwicklungen in Afghanistan und im Irak anschauen: Wie kann man da nur auf die Idee kommen, dass ein Krieg gegen den Iran eine Lösung ist?

Das Gespräch führte Martin Schwickert.

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