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Krabat

© Foxfilm

Kino: Den Letzten holen die Raben

Marco Kreuzpaintners "Krabat"-Verfilmung setzt auf Effekte - Fantasy statt Märchenstoff. Für viele ist es ein Stoff aus der Kindheit in dem eigene Phantasie wirkt.

Hoyerswerda. Für die Jugend der östlichen Landeshälfte war es der Name einer sozialistischen Vorzeigestadt, Inbegriff der Tristesse. Auch die Kinder der alten Bundesrepublik kennen Hoyerswerda. Der Forst von Hoyerswerda, wissen sie, ist vergangenheitstiefes Zauberland.

Das liegt an Otfried Preußler. Vor über dreißig Jahren schrieb der wohl erfolgreichste Kinderbuchautor der alten Bundesrepublik sein wohl erfolgreichstes Buch: „Krabat“. Er schrieb die Geschichte des elternlosen Jungen und Lehrlings des Müllereiwesens sowie der schwarzen Magie nach einer alten sorbischen Legende. Die spiegelte alle Urängste, allen Aberglauben eines Landvolks, das Dreißigjährigen Krieg und Pest erduldete und dem schon deshalb nichts wirklicher schien als die Existenz des Teufels sowie magischer Mächte.

So viel vorsätzliche Finsternis brachte Preußler in der Ära des aufklärerischen, fortschrittlichen Kinderbuchs viel Argwohn ein. Die Kinder aber verstanden „Krabat“ umso besser, denn wurde da nicht auch – was die Aufklärer nicht bemerkten – die Geschichte jedes Erwachsenwerdens erzählt? Und weil die „Krabat“-Leser inzwischen groß geworden sind und Berufe haben wie Regisseur oder Schauspieler, kommt heute die „Krabat“Verfilmung ins Kino. Der Regisseur heißt Marco Kreuzpaintner, und die Raben heißen Daniel Brühl, Robert Stadlober, Hanno Koffler und David Kross, bekannt aus „Knallhart“. Hier ist er der Weichste, Jüngste, Formbarste von allen.

Die Preußler-Leser von einst sind natürlich Kinder ihrer Zeit. Was einmal Legende, Sage, Mythos oder auch Märchen hieß, kennt die Effekt-statt-Inhalt-Sprache der Gegenwart unter dem Namen Fantasy. Wahrscheinlich wäre der einstige Rosenheimer Volksschullehrer Preußler, der am 20. Oktober 85 Jahre alt wird, nie auf die Idee gekommen, er habe einen Fantasy-Roman geschrieben. Hat er auch nicht. Kreuzpaintner aber hat einen Fantasy-Film gedreht.

Grabsteinschwer liegt der Himmel über wüstem Winterland, und die Lufthoheit über dem Hoyerswerdaer Forst halten elf Raben, auch weil sie die einzigen Vögel sind, die zu diesem Klima passen. Die Tonspur zeichnet ihre Flügelschläge auf, schwere Düsternis in Noten rinnt dolbystereosurround aufs Land.

Den Letzten holen die Raben? Erst einmal holen sie Krabat, der unter solchem Rabenhimmel mit zwei Freunden als Sternsinger unterwegs ist. Bei Preußler kommen sie noch in Dörfer, bei Kreuzpaintner ist die Welt leer. Zu Krabats Zeiten war die schwarze Magie zuständig für Daseinserleichterungen aller Art, wir haben dafür das moderne Leben und die Tricktechnik, andere Namen für dieselbe Sache. Und die schwarze Magie hat – was ihre Gegner schon immer vermutet haben – noch immer ihren Preis. Sie nimmt einem die Seele – Menschen wie Filmen.

Kreuzpaintner erbringt in „Krabat“ den Nachweis, dass ein deutscher Fantasy-Film den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Er erreicht mühelos dieselbe relative Leere auf höchstem technischen Niveau. Und nicht einmal Krabats Mit-Raben Daniel Brühl als Tonda (Altgeselle und Krabats Beschützer) oder Robert Stadlober als Lyschko, Höfling des Meisters und Rabengruppen-IM, können etwas dagegen tun.

Die „Krabat“-Botschaft ist klar: Werde erwachsen, lerne lieben und ohne Teufel leben! Die alte, ewig neue, ewig spannende Geschichte. Doch Kreuzpaintners Hightech-Mühle läuft bald schon leer. Dies ist der Film für alle, die endlich einmal ganz genau sehen wollen, wie sich ein Junge in einen Raben verwandelt, wie der Hoyerswerdaer Forst von oben aussieht und der siebente Mahlgang dort, wo das Knochenmehl rauskommt.

Die anderen lesen besser noch einmal Preußlers Buch.

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