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Glück im Spiel

© Warner

Kino: Rote Augen

Mit "Glück im Spiel" begibt sich Curtis Hanson in eine Parallelwelt, in der eigene Verhaltens- und Sprachcodes und insgesamt merkwürdige Gesetze gelten.

Es sind keine Hinterzimmer, heutzutage schon gar keine verrauchten, es sind keine Höhlen oder Höllen, in denen sich die professionellen Pokerspieler ihre Stelldicheins geben. Aber kann schon sein, dass der Teufel trotzdem seine Hand im Spiel hat – buchstäblich.

Der Irrtum aller Spieler dieser Welt besteht darin, zu glauben, dass sie durch Kenntnis, Kalkül oder Magie den sicheren Gewinn in der Tasche haben. Dabei gibt es, das konnte man nicht zuletzt Martin Scorseses „Casino“ entnehmen, auf Dauer nur einen Gewinner: die Bank. An der Missachtung dieser Erkenntnis sind unzählige Existenzen gescheitert. Kein Wunder, dass professionelle Spieler immer am Rand des Ruins stehen und gesellschaftlich in der Regel nicht eben hohes Ansehen genießen. Deshalb versucht die Poker-Lobby neuerdings, das Spiel von seinem unseriösen Image zu befreien und als Sport zu etablieren – mit Wettkämpfen, Turnieren und Fernsehübertragungen live.

Mit „Glück im Spiel“ begibt sich Curtis Hanson in eine Parallelwelt, in der die Uhren anders oder mitunter überhaupt nicht gehen, eine Welt mit eigenen Verhaltens- und Sprachcodes und insgesamt merkwürdigen Gesetzen. Der Regisseur lässt seine Hauptfigur Huck Cheever (kongenial dargestellt vom völlig charismafreien Eric Bana) durch einen neonbeleuchteten Spielsaal nach dem anderen driften; durch lieblos mit Plüsch und Falschgold überladene Interieurs, die Reichtum, Stil und Geschmack bloß vortäuschen. Nur Leere hinter der Fassade. Dass das Gesicht Huck Cheevers keinerlei Seelenregung zeigt: nun gut, der Mann muss sich als Berufsspieler die Mimik abgewöhnt haben. Aber dass es so gar nicht in ihm brodelt? Nein, ihn beschäftigt, bewegt, verstört nichts: nur das Pokerspielen.

Curtis Hanson zeigt die Banalität einer solchen Existenz, ihre erschütternde Eintönigkeit und Tristesse, die zu Halbsätzen verkümmerten Kommunikationsmechanismen, die Flüchtigkeit von Beziehungen, die schleichende Verwahrlosung durch ständige Geldnot, die Hilflosigkeit der Gesten. Damit es nicht gar zu finster wird, stellt er Huck Cheever einen Vater (egozentrisch und zynisch: Robert Duvall) und eine Geliebte (Drew Barrymore) zur Seite. Es sind jedoch diese Beziehungen, die das allumfassende Scheitern des Spielers erst recht verdeutlichen. „Gibt es jemanden, der dich nicht kennt?“, fragt Huck seinen Vater in einer emblematischen Szene, als der, ebenfalls Spieler, nach allen Seiten grüßend, sich schließlich ihm zuwendet. „Nur dich“, antwortet der lakonisch und nimmt die Karten auf.

Im Finale, der Weltmeisterschaft, haben die verbleibenden besten acht je einen eigenen Auftritt; trotz aller Coolness und der gentlemanhaften Rituale verraten ihre flackernden Blicke aus rotgeränderten Augen: Das sind keine Sportler. Jedenfalls keine ungedopten.

In neun Berliner Kinos

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