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De_Niro

© Concorde

Komödie: Mein Leben als Hund

Farce mit Bitterstoffen: Nicht nur Robert De Niro brilliert in Barry Levinsons "Inside Hollywood".

Der neudeutsche Titel „Inside Hollywood“, textgleich mit dem Motto eines prächtigen All-Star-Fotobands der Globe-Agentur, trifft das Thema auf hinreichende, doch bürokratische Weise. Viel schärfer ergründet es das Original „What just happened“ – erst recht mit dem Zusatz jener 2002 veröffentlichten autobiografisch inspirierten Sittengeschichte des Produzenten Art Linson, auf der es beruht: „Bitter Hollywood tales from the front line“. Denn nichts kurzatmiger als der Amüsierbetrieb namens Hollywood, nichts bitterer auch als die ebenso hochtourige wie im Ergebnis leerdrehende Reiz-Reaktions-Routine seiner Protagonisten. Nur: Wie funktioniert angesichts solch ernüchternden Befunds eine Komödie, gar massenkompatibel?

Zwei schlanke Wochen, die auch ein paar Jahre oder Sekunden im Leben des Produzenten Ben (Robert De Niro) sein könnten, beschreibt Barry Levinsons Film-über-Film-im-Film auf kurzweilige und oft komische Weise – zugleich aber trübt sich die minutiöse Chronik seines beruflichen und privaten Alltagsschlingerns bald ebenso beiläufig wie beträchtlich ein. Denn Ben ist ein Getriebener, an den Fäden abgelegter Ehen und irgendwie noch zusammengehaltener Restfamilien und am Headset seines Bluetooth-Handys: ein Ritter von der traurigen Knopf-im-Ohr-Gestalt, der um die eigene Lächerlichkeit weiß.

Immer wieder zeigt die Kamera (Stéphane Fontaine) ihn am Steuer seines Autos, telefonisch dauerverbunden mit Agenten, Ex-Gattinnen, Drehbuchautoren, Schauspielern, Studiochefinnen, Regisseuren – und dennoch absolut selbstmitleidlos allein. Und sie zeigt das durch Los Angeles treibende Fahrzeug, Bestandteil eines stockend vorangepumpten Blutstroms, in der Totale stets im Zeitraffer: als sei die hier gewählte Zufallsbiografie, die Riesenstadt, ja, eine ganze Lebensform reif für den Infarkt.

Als höchst albern jedenfalls erweisen sich die Augenblicksaufgaben dieses immerhin bedeutenden Produzenten, den „Vanity Fair“ demnächst für eine Top-30Powerliste fotografieren wird. Er muss Jeremy (Michael Wincott), den durchgeknallten Regisseur seines jüngsten Actionthrillers „Fiercely“, davon überzeugen, dass es – so die eindeutigen Voten aller Test-Screenings – durchaus angehen mag, zum Finale den Helden (Sean Penn) zu erschießen, keineswegs jedoch dessen Hundchen. Und er muss Bruce (Bruce Willis), den Star seiner nächsten Produktion, dazu bewegen, seiner frischen Liebe zum Vollbart abzuschwören, zumindest für die Dauer des Drehs – eine kommunikationspsychologische Herausforderung, die wiederum dessen Nervenbündel von Agenten (John Turturro) in die Totalpanik treibt.

Gleichzeitig rückt die Cannes-Premiere mit „Fiercely“ – Ben: „Das Festival nimmt den Film wegen der Stars, die kennen nur zehn Minuten davon“ – unweigerlich näher. Skandal oder Triumph? Oder gar das worst case scenario? Letzteres wäre erbarmungslos fällig, wenn das europäische Publikum ein Werk als gewagten Autorenfilm bejubelt, das als Mainstreamkassenfüller gedacht war. Auf derlei Missverständnisse steht in Hollywood das Todesurteil, vorzugsweise geräuschlos zu vollstrecken.

Bens eher jämmerliches Krisenmanagement an allen Jobfronten wird noch getoppt durch seine private Katastrophenbilanz. Da ist die keineswegs ausgestandene, zwei Jahre zurückliegende Scheidung mit der taffen Kelly (Robin Wright Penn); die Sorge um die eigene, von der abgewrackteren Hollywoodprominenz bereits angegrabene minderjährige Tochter (Kristen Stewart); und dann sind da noch die blondgefärbten, stets rollengeilen Semi-Asiatinnen, die dem alternden Ben aufs Herrenklo hinterhersteigen, ihn mit Ecstasy plattmachen und andernmorgens nahezu taufrisch davonzwitschern. Glück sieht anders aus.

Eine eigentümlich zärtliche Farce haben Barry Levinson und Robert De Niro angerichtet, zuletzt bei der legendären Politsatire „Wag the Dog“ (1997) so segensreich vereint; zärtlich vor allem, weil der mit entspanntem Understatement aufspielende Hauptdarsteller inmitten des rotierenden Blöd- und vor allem Eigensinns stets von unerschütterlicher, melancholischer Gelassenheit bleibt: ein Weiser, der die unaufhaltsame Zerhäckselung seiner Gesellschaftsrolle durch die entfesselten Massenkulturgewalten lächelnd hinnimmt. Wie schön wäre es, weiter zuzusehen, wie er, mit ein bisschen Zeit und offen für Neues, die kuriose Summe dessen zieht, was er die screwball tragedy seines Hollywoodlebens nennen könnte. Aber das wäre dann, ein charmantes Ritardando inklusive, ein ziemlich anderer Film geworden.

In Amerika übrigens ist „Inside Hollywood“ gefloppt – trotz seiner prominenten, gut aufgelegten Besetzung, trotz seines funkelnden Dialogwitzes und der hübsch hyperreal aufs Typische zielenden szenischen Arrangements. Fraglich allerdings, ob Barry Levinson heutzutage mit einer finsteren Hollywoodsatire im Stil von Robert Altmans unübertroffenem „The Player“ (1992) mehr gepunktet hätte. Immerhin: „Inside Hollywood“ ist nun auch bei uns zum individuellen Test-Screening freigegeben.

Cinemaxx, Colosseum, Filmkunst 66

und Rollberg; OV im Cinestar Sony Center, OmU in den Hackeschen Höfen

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