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Harfouch

© Warner

Komödie: Weiterleben: "Giulias Verschwinden"

Mittfünfziger am Rande des Nervenzusammenbruchs: Da ist viel Bosheit und eine ganze Menge Überzeichnung im Spiel, Wortwitz, Tempo und durchaus generationsbedingte Dringlichkeit. Im Kino: Corinna Harfouch in "Giulias Verschwinden".

„Wir Alten sind doch unsichtbar“. Ein Satz, so mal eben hingesagt in der Straßenbahn, von einer alten Dame, nur weil der Sitzplatz nicht schnell genug freigemacht wurde. Und Giulia, eben noch auf dem Weg zur Feier ihres 50. Geburtstags im Freundeskreis, eine schöne, selbstbewusste Frau, die gerade noch amüsiert das Gealbere der Teenies auf dem Nachbarsitz beobachtet hat, erlischt mit einem Schlag. Ein langer, verunsicherter Blick, ein Kontrollblick in der spiegelnden Fensterscheibe, aufkommende Panik, als in der voll besetzten Bahn nicht schnell genug Platz gemacht wird, und dann hinausgetaumelt auf die dunkle Straße. So schnell wird man unsichtbar.

Corinna Harfouch kann das locker spielen, die arrogante Selbstsicherheit, die aufkommende Verunsicherung, und dann auch wieder das Aufleuchten, Strahlen, Flirren, als beim unerwarteten Flirt mit einem Unbekannten Lebensmut und Lebenslust zurückkehrt. Und Bruno Ganz, der solcherart die Rolle des Verführers übernimmt, pariert mit so viel Gelassenheit, Selbstironie und Witz, dass man den beiden wirklich eine neue Chance gibt. Wenn auch nur für diese Nacht.

Doch die wahren Schlachten werden anderswo geschlagen. Im Restaurant „Cantinella Antinori“, wo die zunehmend genervten Freunde und Geburtstagsgäste auf Giulias Erscheinen warten und sich bald in einer einzigen erweiterten Midlife-Crisis-Gruppenrunde zerfleischen. Da geht es um Sport und Ernährungsgewohnheiten, Attraktivität und Erinnerung, um Wadenkrämpfe beim Sex und die Wirkung von zerstoßenen Haschkeksen, und die Sache wird nicht besser dadurch, dass eine glatt geliftete Sunnyi Melles aufscheint und als naives Blondchen lustvoll Bomben in die Runde wirft.

Mittfünfziger am Rande des Nervenzusammenbruchs: Da ist viel Bosheit und eine ganze Menge Überzeichnung im Spiel, Wortwitz, Tempo und durchaus generationsbedingte Dringlichkeit, in dem Drehbuch, das Martin Suter gemeinsam mit dem verstorbenen Regisseur Daniel Schmid entwickelte und das Christoph Schaub nun in eine kalte Züricher Winternacht gesetzt hat, kammerspielartig zwischen Restaurant, Bar, Polizeistation und einer völlig ausgeflippten Episode im Altersheim. Zum Schluss bekommt die unsichtbare Giulia noch ihren Überraschungsauftritt in der „Cantinella Antinori“. Manchmal sind die Geister die lebendigsten.

In den Berliner Kinos Capitol, Cinemaxx Potsdamer Platz, Delphi, Filmkunst 66, International, Kino in der Kulturbrauerei, Yorck

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