zum Hauptinhalt

Kriegsfilme: Die Poesie des Bang-Bang-Bang

Im B-Movie „Inglorious Basterds“, Tarantinos Vorbild, ist die Welt noch kaputter und brutaler als in anderen Kriegsfilmen.

Es war einmal: Mit dieser Formel beginnen Märchen. Aber auch Tarantinos Film, der den Verlauf des Zweiten Weltkriegs auf den Kopf stellt. Und ähnlich wie dessen blutrünstiges Märchen – „Es war einmal im von den Nazis besetzten Frankreich“ – hebt auch „The Inglorious Basterds“ an, der legendäre ItaloKriegsfilm, auf den sich Tarantino beruft: mit der Einblendung „Frankreich 1944“. Knapper und präziser geht es nicht. Während Tarantino in „Inglourious Basterds“ kontrafaktische Geschichtsschreibung betreibt – schon die falsche Schreibung des Titels ist eine einzige Rebellion – fehlt den italienischen Bastards allerdings jeder utopische Überbau. Auch sie sind Helden, die hinter den feindlichen Linien operieren. Aber sie kämpfen bloß um ihr eigenes Überleben.

„The Inglorious Basterds“, 1977 von Enzo G. Castellari gedreht, war lange ein Phantom der B-Filmgeschichte, bekannt allenfalls durch Tarantinos Lobpreisungen. In Deutschland lief der Film damals unter dem Titel „Ein Haufen verwegener Hunde“ in ein paar Bahnhofskinos, danach verschwand er in der Versenkung. Pünktlich zu Tarantinos Kinostart erscheinen nun auch die „Inglorious Bastards“ auf DVD, in einer mustergültigen Edition, zu deren Extras neben einer Making-of-Dokumentation auch der Mitschnitt eines langen Gesprächs von Tarantino mit Castellari gehört, bei dem Tarantino sehr viel redet, schwärmerisch natürlich, während Castellari, ein eleganter Herr von 71 Jahren, daneben sitzt und geschmeichelt lächelt.

Castellari legte nie sonderlichen Wert auf die Originalität seiner Filmplots. Bekannt geworden ist er mit harten Polizeifilmen und Italowestern, die er zusammen mit Franco Nero inszenierte. Sein Horrorfilm „The Last Shark“ musste in Amerika vom Markt genommen werden, weil er offensichtlich bei Steven Spielbergs „Weißem Hai“ abgekupfert war. So ein Rip-off ist auch „The Inglorious Basterds“. Das Vorbild dafür waren Kriegsfilme wie „Das dreckige Dutzend“ oder „Die Brücke von Arnheim“, nur dass die Welt hier noch etwas kaputter und brutaler ist und die Figuren noch zynischer. Die Tonspur wird beherrscht vom Bang-Bang-Bang der Geschosse; die von italienischen Komparsen dargestellten Deutschen grüßen hackenschlagend mit „Ail Ittler!“, und in der groteskesten Szene kämpfen sehr blonde barbusige BDM-Mädchen mit Maschinengewehren gegen die Amis. Der Film, keine Frage, ist Trash. Aber sehr guter Trash.

Die Produktionsfirma bewirbt Castellaris Werk mit dem Titelzusatz „Inglorious Basterds – Das Original“. Das ist ein wenig irreführend, denn Tarantinos Film greift zwar einige Elemente des Vorgängers auf, ist aber kein Remake. Während „Inglourious Basterds“ selber ein filmischer Bastard ist und Melodram, Satire, und Splatterfilm furios miteinander kreuzt, verlässt „Inglorious Bastards“ nie die Genrekonventionen der dirty war movies und folgt dabei einer wenigstens halbwegs stringenten Narration.

Die „verwegenen Hunde“, das sind hier amerikanische Deserteure und Kriminelle, die auf ihrem Weg zur Exekution in einen deutschen Bombenangriff geraten, sich befreien können und versuchen, in die neutrale Schweiz zu entkommen. Angeführt werden sie von Bo Svenson, der später in Tarantinos Film „Kill Bill“ mitspielen sollte, und Fred Williamson, einem Star des schwarzen Blaxploitation-Kinos. Auch Raimund Harmstorf als Wehrmachtsdeserteur „Adolph“ schließt sich ihnen an. Die Bastarde werden von Résistancekämpfern gefangen genommen und greifen dann doch wieder in den Krieg ein. Sie kapern einen Nazi-Zug, um an den Prototyp einer V2-Rakete zu gelangen. Ein Himmelfahrtskommando.

Großartig ist eine Szene, in der ein SS-Sturmbannführer einen der Helden anblafft: „Warum kämpfen Sie auf der falschen Seite? Weil Sie ein Bastard sind, wie alle Amerikaner! Ihr habt alle möglichen Rassen: Neger, Juden, Polen, Italiener, Iren. Und ihr seid wie Kinder: Coca Cola, Chewing Gum, Hollywood.“ Großartig auch ist der Showdown im rasenden Panzerzug, eine 20-minütige Choreografie aus Actionszenen, Explosionen und Slowmotionaufnahmen, deutlich beeinflusst von Sam Peckinpah. „Fucking cool“, lobt Tarantino.

Danach hat Castellari 20 Jahre nur noch fürs Fernsehen arbeiten können. Dank Tarantino scheint seine Kinokarriere nun wieder in Gang zu kommen. Gerade dreht er „Caribbean Basterds“. Mit „e“ im Titel.

Die DVD von Enzo G. Castellaris „Inglorious Bastards – Das Original“ erscheint am 21. August bei Koch Media.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false