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Depardieu

© Concorde

Krimi: "Kommissar Bellamy": Doppelt leben

In seinem Sommerkrimi "Kommissar Bellamy" mit Gérard Depardieu gibt sich Claude Chabrol als Menschenfreund.

Claude Chabrol, einer der Protagonisten der Nouvelle Vague, ist längst der Altmeister des französischen Kinos: In seinen Filmen seziert er die obere Mittelschicht, gelassen, präzise, immer ein wenig moralisch. Und je älter er wird – soeben wurde er 79 –, desto lebensweiser geht er an seine Themen Mord, Verzweiflung und existenzielle Krise heran. Und erzählt mit freundlichem Verständnis – auch für die Täter.

Scheinbar beiläufig und routiniert hat Chabrol auch „Kommissar Bellamy“ inszeniert, in dem es vordergründig um ein Verbrechen, aber eigentlich um Beziehungen geht. Wie auf einem Spielbrett sind die Paarkonstellationen aufgestellt, die einander spiegeln und kommentieren. Denn jedes unglückliche Paar, das weiß Chabrol, war einmal glücklich. Ob das so bleibt, hängt von Zufällen ab, die nicht zwangsläufig dramatische Folgen haben. Wenn die Beteiligten merken, dass sich etwas geändert hat, weiß keiner mehr wann und warum.

Bellamy und seine Frau Françoise sind ein glückliches Ehepaar, jedenfalls glaubt Bellamy das. Gérard Depardieu, zunehmend massig und kurzatmig, spielt ihn als gemütlichen, genusssüchtigen alten Jungen, der nie erwachsen werden musste, weil das Paar keine Kinder hat. Marie Bunel ist seine deutlich jüngere, attraktive und realitätstüchtige Ehefrau: Sie weiß, dass sie besser daran tut, ihren Paul seinen Kreuzworträtseln und Heimwerkereien zu überlassen, als ihn aus seiner Trägheit zu reißen und ihm einen Urlaub aufzuzwingen, den er schon allein wegen dieser Nötigung scheußlich fände. Die regelmäßigen Treffen mit dem ebenfalls gesetzten Paar Gilles und Alain, einem Zahnarzt und einem Schönheitschirurgen, bestätigen beide Parteien in ihrer Beziehung: Man teilt, was man liebt – gutes Essen, gute Weine und gepflegte Plaudereien, und freut sich im Übrigen seiner Privilegien.

Bewegung ins Seelen-Establishment bringen ein verzweifelter Mann, der sich selbst eines Mordes bezichtigt, und der Besuch von Bellamys jüngerem Bruder. Beide Figuren führen andere Lebensentwürfe vor: das Scheitern im Großen und Kleinen. Plötzlich denkt Bellamy zum ersten Mal über seine Ehe nach: Betrügt ihn seine Frau? Warum war sie in der letzten Zeit so abweisend? Führt sie ein Doppelleben wie der angebliche Mörder? Wäre es ihr gleichgültig, wenn er plötzlich nicht mehr auftauchte, so gleichgültig, wie der Ehefrau des Fremden offenbar das Verschwinden ihres Mannes ist? Und könnte ihn eine Baumarkt-Verkäuferin aus der Fassung bringen? Dass alles im Lot bleibt, versteht sich: So souverän und großzügig geht Chabrol mit seinen Protagonisten um, dass sie geläutert aus dem Geschehen hervorgehen – und auch sein Publikum, jedenfalls beinahe.

Capitol, Cinema Paris (OmU), Cinemaxx, Kant, Kulturbrauerei, Neues Off

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