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Merci Chérie: Gefährliche Seilschaften

Rolle des Lebens: Michelle Pfeiffer spielt die Edelkurtisane Léa de Lonval.

Schauspielerinnen und Kurtisanen sind wahrscheinlich die Letzten, bei denen 50 noch eine bedrohliche Altersgrenze ist. Der Trubel um Michelle Pfeiffers Auftritt bei der Berlinale, die Diva in großer Robe frierend im Februar-Regen, Frondienst am roten Teppich, ein tapferes Lächeln für Fans und Kameraleute und doch das Gefühl, dass sie das eigentlich nicht mehr mitmachen müsste, dass man doch irgendwann herausgewachsen ist aus all diesem Medienzirkus. Ist es nicht auch eine Art Prostitution, im Dienste des Films, wobei es weniger um Liebe geht als um Geld und den Erfolg an der Kasse?

Der Edelkurtisane Léa de Lonval geht es ähnlich. Sie muss lächeln, lächeln, immer lächeln, auch wenn ihr das Herz und der Stolz brechen. Längst hat sie genug Geld, um unabhängig zu sein, doch gesellschaftliches Ansehen kann man nicht kaufen, und Einsamkeit wiegen weder Geld noch Luxus auf. Da mögen die Konkurrentinnen noch so viel sticheln, es gilt, den Kopf hoch und den Rücken gerade zu halten und im größten Elend immer noch tapfer zu behaupten: „Mir geht es gut.“

Natürlich kann man einwenden, dass diese Frau zu schön ist, viel zu schön, um verstoßen zu werden oder sich um ihr Alter Gedanken machen zu müssen. Wer sich eine Jüngere wählt, wäre doch blöd, wo er dieses Traumgeschöpf haben kann, mit der Porzellanhaut und den Veilchenaugen und der entspannten Art einer Frau, die sich entschlossen hat, zu genießen und nicht mehr zu kämpfen. Und natürlich muss man das ganze Dickicht aus Konvention und Moral des beginnenden 20. Jahrhunderts hinzudenken, um zu verstehen, was denn nun hier das Drama sein soll.

Und doch ist das Drama immer das gleiche, Alter spielt gar keine Rolle. Die eine liebt, der andere nicht oder vielleicht doch, kann sich nicht entscheiden, taktiert, erst ist es Spiel, dann wird es Ernst, und am Ende haben beide verloren, weil sie unbedingt gewinnen wollten. Auch in der Beziehung zwischen Léa und Chéri, dem Sohn einer Konkurrentin, den sie in die Liebe und das Leben einführen soll, ist es nicht anders. Erst ist es ein Arrangement, dann wird es Gewohnheit, man fühlt sich wohl, lässt sich gegenseitig die Freiheit, kann sich nicht entscheiden, dann ist es zu spät.

Stephen Frears hat aus Colettes beiden Chéri-Romanen ein Zeittableau besonderer Art gemacht, einen exquisiten Kostümfilm mit den schönsten Kleidern, extravagantesten Hüten, schmalsten Taillen, opulentesten Blumenbouquets, die sich auftreiben ließen. Und mit einem Drehbuch, das Christopher Hampton mit funkelnden Bosheiten nur so aufgeladen hat, mit einem Kaffeekränzchen alternder Kurtisanen rund um eine umwerfende Kathy Bates, die sich die Beleidigungen fein verpackt genüsslich um die Ohren hauen. Ein Gesellschaftsstück, hochamüsant und bitter, raffiniert, funkelnd und ziemlich giftig.

Da erinnert vieles an Stephen Frears’ Meisterstück „Gefährliche Liebschaften“, diese Mischung aus Bosheit und vollendeter Form, und Michelle Pfeiffer hat einen ähnlich gnadenlosen Abtritt vorm Spiegel wie Glenn Close als Marquise de Merteuil. Und doch ist dieses Machtspiel, bei dem die Männer die Konvention und die Frauen die Erfahrung auf ihrer Seite haben, gar nicht so weit entfernt vom Duell zwischen Tony Blair und Queen Elizabeth II. in „The Queen“. Dass es um Macht geht, wenn man Liebe sagt, und um Treue, wenn am Ende die Macht verloren ist, das verbindet alle drei Filme. Nur die Kostüme haben gewechselt.

Christina Tilmann

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