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Fitzcarraldo

© Rückeis

"Molly Aida": Kinski, ahoi

Letzter Hafen Filmmuseum: Ein Schiffsmodell aus "Fitzcarraldo" legt am Potsdamer Platz an.

Ein Schiff zum Fliegen zu bringen, das ist keine Utopie, sondern eine technische Herausforderung. Angekettet an einen Flaschenzug, festgeschnallt auf einen hölzernen Unterboden und zusätzlich von zwei Arbeitern mit Seilen gesichert, so schwebte das knapp vier Meter lange und 375 Kilo schwere Modell der „Molly Aida“ gestern durch das Atrium des Filmhauses am Potsdamer Platz. Gebaut für die Dreharbeiten zu Werner Herzogs Film „Fitzcarraldo“, eingesetzt nur in einer einzigen Stromschnellen-Szene in einem Trickfilmbassin des Münchner Bavaria-Studios, ist das größtenteils stählerne Requisit nun an seiner Endstation in der Filmgeschichte angekommen: als Exponat der neu gestalteten ständigen Ausstellung des Museums für Film und Fernsehen, die nächste Woche eröffnet wird.

„Das Schiff ist auch ein Symbol für das Filmemachen an sich, den festen Glauben an ein Projekt, so unverwirklichbar es anfangs scheinen mag“, sagt Museumsdirektor Rainer Rother. „Fitzcarraldo“, 1981 entstanden, erzählt die Geschichte eines Kautschukbarons und Opernfanatikers, der einen kompletten Dampfer über einen Berg ziehen lässt. Hauptdarsteller Klaus Kinski streifte damals in einem Maßanzug von Yves Saint Laurent durch den Dschungel. Nach einigen Tobsuchtsausbrüchen, diese Anekdote hat Herzog selbst verbreitet, boten die Indio-Komparsen dem Regisseur an, Kinski für ihn zu töten.

Während der Originaldampfer inzwischen am Drehort im peruanischen Regenwald verrotten soll, hat das vom Filmausstatter Henning von Gierke entworfene Modell der „Molly Aida“ eine lange Odyssee hinter sich. Erst stand es in Herzogs Münchner Garten, dann zierte es eine Diskothek im Elbmarsch-Flecken Tespe. Als die Diskothek in den Konkurs ging, holte es der örtliche Heimatverein in eine Ausstellung im Rathaus. 2006 hat das Berliner Film- und Fernsehmuseum die „Molly Aida“ erworben und, mangels Platz, zunächst in einem Depot des Museums für Verkehr und Technik abgestellt. Nun wird das Schiff zusammen in einem Raum mit dem Modell einer mittelalterlichen Pariser Brücke aus „Das Parfum“ zu sehen sein. Im Film geht dort der Frauenmörder Jean-Baptiste Grenouille bei einem Parfümeur in die Lehre.

Den Platz für die Erweiterung seiner ständigen Ausstellung hat das Filmmuseum gewonnen, weil der Leihvertrag für die Special-Effects-Sammlung des Trickfilmmeisters Ray Harryhausen ausgelaufen war. 320 der insgesamt 1500 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche werden umgestaltet. Während Stummfilm, dreißiger Jahre, Film im Exil und Nachkriegskino recht umfassend dargestellt waren, endete die Gegenwart bislang recht abrupt mit einem Sprung von „Der Himmel über Berlin“ zu „Lola rennt“. „Wir wollen keinen Kanon präsentieren, sondern eine Möglichkeit zeigen, wie man die deutsche Filmgeschichte nach 1945 sehen kann “, sagt Kuratorin und Tagesspiegel-Autorin Daniela Sannwald.

Das Vorkriegskino ist im Filmmuseum ein Kino der Stars, das Kino der Nachkriegszeit gehört den Regisseuren. So führt eine „Wand der Regisseure“ durch den Nachkriegsteil, in dem 44 Filmemacher mit jeweils einem Werk vorgestellt werden. Die Chronologie reicht von Gerhard Lamprecht („Irgendwo in Berlin“) über Frank Beyer („Spur der Steine“) und R.W. Fassbinder („Angst essen Seele auf“) bis zu Doris Dörrie („Kirschblüten–Hanami“). Sonja Ziemanns „Schwarzwaldmädel“-Tracht wird genauso zu sehen sein wie Hannelore Elsners legendärer Mantel aus „Die Unberührbare“.

Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Str. 2, die neue ständige Ausstellung öffnet am Mittwoch, 28. Januar. Di–So 10–18, Do 10–20 Uhr.

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