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Monsterfilm-Parodie: Der müde Held

"Der große Japaner" könnte das Porträt eines Sonderlings sein. Doch die Doku ist gestellt, der Hauptdarsteller einer der bekanntesten Komiker Japans.

Dai-Sato mag Schirme und Seegras. Ohne seinen Schirm verlässt er selten das Haus, und abends, wenn er zurückkommt, dampft er sich gern noch ein wenig getrocknetes Seegras auf. Faltschirme und trockenes Seegras, sagt er, werden nur groß, wenn es sein muss. Genau wie Dai-Sato selbst.

Als wir ihn kennenlernen, ist von Größe allerdings nichts zu erkennen. Die Dokumentation folgt einem mürrischen Mittvierziger mit langem, ungepflegtem Haar: im Zug, beim Einkauf, auf einer Parkbank. Er macht Essen für seine Katze, beschwert sich über sein Gehalt und erzählt von seiner Frau, die ihn verlassen hat. Gelegentlich fliegt ein Stein von außen durchs Fenster. Dai-Sato ist nicht angesehen in seiner Nachbarschaft.

„Der große Japaner“ könnte das Porträt eines Sonderlings sein. Doch die Doku ist gestellt, der Hauptdarsteller einer der bekanntesten Komiker Japans. Hitochi Matsumoto erfindet den Alltag eines lethargischen Supermanns, der stoisch seinem Beruf nachgeht. Und er gewährt dabei auch Blicke hinter die Kulissen: Endlich erfahren wir, wie man trotz explosiven Wachstums seine Hose in Form hält.

Wenn sein Land von einem Monster heimgesucht wird, begibt sich Dai-Sato unwillig, aber pflichtschuldig ins nächstliegende Kraftwerk, lässt sich Starkstrom an die Brustwarzen legen und wächst dann für einige Stunden zu einem fünfzig Meter hohen Hünen. Dai-Sato ist „Der Sechste“ in der Ahnenreihe großer Japaner. So beliebt wie Großvater („Der Vierte“) ist er nicht: Die TV-Ausstrahlung seiner Kämpfe wurden auf einen Sendeplatz tief in der Nacht verschoben. Besonders erfolgreich (oder wenigstens ehrgeizig) ist er nicht bei seiner Arbeit. Nicht mal das Kopulieren turmhoher Stinkkraken in der Stadt kann er verhindern.

Der größte Feind des Helden ist er selbst: Nach der Psychologisierung des Heldencomics in Hollywood ist das keine aufregende Erkenntnis mehr. Doch „Der große Japaner“ nutzt das Thema für einen ganz anderen Film. Tatsachenberichte, Interviews und Handkameraszenen wechseln sich ab mit irrwitzigen Monsterduellen vor sonnenbestrahlten Stadtsilhouetten. Regisseur und Hauptdarsteller Hitoshi Matsumoto macht sich nicht nur über den japanischen Monsterfilm lustig. Ziel des Spotts sind auch Doku-Soaps und „talking heads“-Dokumentationen mit ihren schwatzenden Augenzeugen und ihrer trügerischen Alltagsnähe. Bemerkenswert ist die vorsätzliche Unschärfe der Karikatur: „Der große Japaner“ lässt den Charakter eines vielleicht doch auch ernst gemeinten Sozialporträts erst in seinem bizarren Finale hinter sich und wurde in Japan als Kommentar zum Wandel des Landes verstanden.

Es gehört viel Können und einiges Selbstbewusstsein dazu, die sehr spezielle Komik dieses Filmes mit sicherer Hand aufzubereiten: grotesk, aber verhalten, staubtrocken und stets ein wenig traurig. Der leise Irrsinn wird nur gelegentlich von kurzen Sequenzen schreiender Komik unterbrochen. Ein Kleinod des obskuren Humors. Sebastian Handke

Babylon Mitte, Eiszeit (beide OmU)

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