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Black Snake Moan

© Universal

Moralkino: Im Tiegel der Triebe

Hollywood goes Hinterwald: Craig Brewers „Black Snake Moan“ ist so fromm wie patriarchalisch.

Gott ist männlich, er steht für Güte, aber auch für Strenge. Auf Erden, etwa in den amerikanischen Südstaaten, nistet er bevorzugt dienstlich in voluminösen schwarzen Predigern, die stets die sittliche Veredelung ihrer schwarzen und weißen Schäfchen im Blick haben. Aber er kann auch etwa in die Haut eines von seiner Frau schnöde verlassenen Gemüsehändlers mit weißgrauem Haar und Fusselbart fahren. Und was macht der Mann, damit er in seiner Qual nicht verstummt? Er greift zur Gitarre und spielt den „Black Snake Moan“-Blues, seufzt den Seufzer der schwarzen Schlange.

Der Teufel ist weiblich, er steht für die bösen Triebe der Natur, vor allem für Wollust und Ausschweifung. In Menschengestalt ist er bevorzugt im lüsternen Blick junger Mädchen anzutreffen, in hübschen, unzulänglich bekleideten Frauenkörpern, die sich wie epileptisch im Sumpf des Begehrens suhlen, wenn die Lust auf Sex sie überkommt. In Tennessee etwa kann der Teufel auch in einer soeben von ihrem Freund – zum höheren Zweck vaterländischen Militäreinsatzes – verlassenen jungen Frau stecken. Und was macht sie, damit sie in ihrer Qual nicht ganz vergeht? Sie greift zum nächstbesten Schwanz.

So darf es nicht zugehen auf Erden. Deshalb hält Gott den Teufel in eisernem Griff, zumindest im tiefen Süden Nordamerikas. Und der Mann macht sich das Weib untertan, indem er es etwa in einem ländlichen Holzhäuschen an einen schweren Heizkörper fesselt – mit langer Kette, wie einen Hund. Und wenn die niederen Triebe zur Hölle gefahren sind und der Gemüsehändler namens Lazarus (!) die Kleinstadtschlampe namens Rae von ihren Promiskuitätsattacken geheilt hat, bleibt sie süß winselnd auch ohne Kette bei ihm. Er greift zur Gitarre, und artig sitzt sie zu seinen Füßen.

Eine Teufelsaustreibung. Ein Gleichnis. Ein Wunder. Genau so ist Craig Brewers „Black Snake Moan“ erzählt, diese feierliche Parabel aus der Mottenkiste des Patriarchats und der Sonntagsschule. In der Übertreibung des Pulp und des Camp, des B-Pictures, mit den Gewürzen der Blaxploitation, der Sexploitation, des visuellen und des narrativen Trash. Nun könnte man vermuten, diese Mittel dienten dem distanziert ironischen Genuss, aber nein, der Film meint sein Kanzelwort bitterernst, vom brodelnden Triebtiegel seiner ersten Bilder bis zum moralischen Doppel-Happyend. Und mit Samuel L. Jackson als dem eheweiblich verlassenen Gottesmann und Christina Ricci als der glutäugigen, meist in Slip und knappem Top herumläufigen Hündin tut er alles dafür, seine Geschichte höchst wirkungsmächtig rüberzubringen – Justin Timberlake, der den zum Militärdienst entschwindenden und bald zurückkehrenden Freund Ronnie gibt, als Massenmädchenschwarm inklusive.

Hollywood goes Hinterwald. Was leider auch bedeutet, dass Hinterwald kräftig auf dem Vormarsch ist. Die schlanken Produktionskosten von 15 Millionen Dollar hat „Black Snake Moan“ in der Heimat zwar noch nicht eingespielt; und das mag im wachsend lammfrommen Weltleithammelland bereits eher an einer gewissen Sex-Unverträglichkeit als am Bigotterie-Überdruss liegen. Aber mit derlei Filmen spielt die Traumfabrik sich warm für ein Jahrtausend, in dem die verstaubtesten Ideologien des 20. Jahrhunderts weltweit zu frisch blinkenden Weltanschauungswaffen umgeschmiedet werden – und der christliche Fundamentalismus des Bible Belt mit seinem islamistischen Zwilling schauerlich korreliert.

„Gott hat es gefallen, dich auf meinen Pfad zu legen“, sagt Lazarus – in der Bibel ist es der von Jesus nach drei Tagen vom Tode Erweckte –, und mit seiner rabiaten Zähmung der widerspenstigen Verführerin heilt er auch den eigenen Verlassenheitsschmerz. Und spätestens wenn das schlimme Ding im Hochzeitskleid steckt und ein dekoratives Kettchen die Eisenkette vollinhaltlich ersetzt, werden auch die Kreationisten an „Black Snake Moan“ ihre ungeteilte Freude haben: die Gefolgsleute jener neuen Glaubensschule, die die Biologie mit den Mitteln der christlichen Schöpfungsgeschichte und die (Natur-)Wissenschaften mit den Mitteln der Religion plattmachen will. In diesem Film immerhin zieht der Teufel der dekadenten Moderne schon mal auf der ganzen Linie den Schwanz ein. Hallelujah!

Central, Cinemaxx Potsdamer Platz, Kant, Kulturbrauerei; OV im Babylon Kreuzberg

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