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Streep

© UIP

Musical: Danke für die Lieder, danke für den Spaß

Eine Diva als Dancing Queen: Meryl Streep rettet das Abba-Musical "Mamma Mia!" aus der Belanglosigkeit.

Das Schöne an Popsongs ist, dass man sie nicht unbedingt verstehen muss. Worum es in „Dancing Queen“, „Super Trouper“ oder „The Winner Takes It All“ geht, ist ziemlich egal. Hauptsache, man kann dazu tanzen. Zehn Jahre lang, von 1972 bis 1982, waren Anni, Björn, Benny und Agnetha – zusammen kurz Abba – die größte Hitmaschine der Welt. Bis heute haben sich ihre Stücke auf 370 Millionen Tonträgern verkauft. Sie überstanden die durch private Zerwürfnisse ausgelöste Trennung der Band unbeschadet und sind längst als Klassiker im PopOlymp angekommen. Erfolgreichere Ohrwürmer lieferten im 20. Jahrhundert nur noch die Beatles. Als Texter waren Björn Ulvaeus und Benny Andersson, die beiden Songwriter des schwedischen Quartetts, allerdings nicht ganz so begnadet. Der Abba-Film „Mamma Mia!“ ist deshalb nur in der englischsprachigen Originalversion zu ertragen.

An die Simplizität von Zeilen wie „You are the dancing queen, young and sweet, only seventeen“ oder „Money, money, money / Must be funny in the rich mans world“ hat sich der Abba-Fan längst gewöhnt. Doch deutsche Abba-Nachdichtungen wie „Danke für die Lieder, die in mir klingen / Danke für den Spaß am Singen“ oder „Chiquitita, was ist geschehen? / Warum ist dein Blick voll Sorgen?“ klingen nicht bloß schlicht, sondern auch total unsexy. Leider sind auch die nicht gesungenen Dialoge in „Mamma Mia!“ nicht wesentlich besser, auch sonst fehlt eigentlich alles, was ein Musical ausmacht: Opulenz, Timing, Tempo.

Gerettet wird der Film einzig von seiner Hauptdarstellerin. Meryl Streep, bislang nicht gerade als Komödiantin berühmt, stürzt sich mit sichtbarer Begeisterung in dieses Nichts von Handlung. Die Chanel-, Dior- oder Prada-Uniform ihrer üblichen Auftritte hat sie gegen eine zerbeulte Jeans-Latzhose ausgetauscht, in der sie Treppengeländer herunterrutscht, auf Matrazen herumspringt und dämliche Formationstänze vor Traumurlaubs-Strandkulissen anführt. Hinreißender ist Albernheit im Kino lange nicht dargestellt worden. Und singen – wer hätte das gedacht? – kann die Diva auch noch. In ihrer voluminösen, leicht aufgerauten Altstimme bekommen die Abba-Hits eine bittersüße Reife.

Streep spielt Donna, eine amerikanische Aussteigerin, die es auf eine griechische Insel verschlagen hat. In ihrer Jugend war sie ein Hippie, ihr Sommer der Liebe endete abrupt vor zwanzig Jahren, als sie ihre Tochter Sophie bekam. Danach musste sie sich alleinerziehend durchschlagen, das Bauernhaus, das sie in ein Hotel verwandeln will, ist immer noch nicht ganz fertig. Jetzt soll dort gefeiert werden, denn Sophie (Amanda Seyfried), ebenso blond und blasshäutig und fast genauso schön wie Donna, will ihren Traumprinzen (Dominic Cooper) heiraten.

Drei Männer, das hat Sophie im heimlich gelesenen Tagebuch der Mutter entdeckt, könnten ihr Vater sein. Sie hat alle drei zur Hochzeit eingeladen, ein Typenkabinett ehemals alternativer, nun leicht sonderbarer Midlifecrisis-Männer: den spröden Sam (Pierce Brosnan), den nervösen Harry (Colin Firth) und den abgehalfterten Bill (Stellan Skarsgaard). Dreimal darf geraten werden, in wen Donna vor zwanzig Jahren am meisten verliebt war und an wen sie auch diesmal wieder ihr Herz verlieren wird. Zum geschlechterparitätischen Ausgleich reisen außerdem die alten, mittlerweilen reichlich tantigen Freundinnen Rosie (Julie Walters) und Tanya (Christine Baranski) an, mit denen die Herbergsmutter früher in der Glampop-Band „Donna and the Dynamos“ auf der Bühne stand. Damals trugen sie Plateaustiefel und Glitzerkleider und sangen „Dancing Queen“. Die Szene, in der sie noch einmal im alten Outfit auftreten, ist die witzigste des ganzen Films. Man muss allerdings bis zum Abspann darauf warten.

Drei Männer, drei Frauen und dazwischen ein Mädchen auf der Suche nach ihrem Vater: eigentlich eine Konstellation, aus der sich komische Funken schlagen lassen müssten. Vom Schwung und der Leichtigkeit der Abba-Hits ist in „Mamma Mia!“ trotzdem nicht viel übrig geblieben. Die Choreografien, bei denen stets ein paar auf südeuropäisch geschminkte Statisten und manchmal auch ein Esel staunend dabei stehen, erinnern an verunglückte „Zorbas, der Grieche“Parodien. Zäh rettet sich das Lustspiel in sein Happy End am Traualtar. Und der sterile Soundtrack lässt die alten Hits wie unterproduzierte Karaoke-Versionen wirken. Mit „Mamma Mia!“ ist die Musik von Abba am Ende der Verwertungskette angekommen.

Ab Donnerstag in 32 Berliner Kinos, OV im Cinestar Sony Center und im Neuen Off

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