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© ddp

Nachruf: Monica Bleibtreu: Frühes Glück, später Ruhm

Ihre Leidenschaft war das Theater, im Film spielte sie starke Frauen: Zum Tod der großen Schauspielerin Monica Bleibtreu.

„Ein starker Abgang“ hieß das herausragende Fernsehspiel, in dem sie noch vor zehn Tagen im ZDF zu sehen war. Da spielte Monica Bleibtreu eine resolute Ernährungsberaterin, die mit einem von Bruno Ganz verkörperten Großschriftsteller auf Lesereise durch die Provinz tingelt und ihm dabei jeden Genuss in Form von Schweinshaxe oder Kaffee verbietet. Sein Magengrummeln entpuppte sich am Ende als Tumorsymptom, und der misanthropische Autor und die gestrenge Kalorienzählerin, die einander bis dahin nicht ausstehen konnten, fanden – so verlangt es das eherne Gesetz der Komödie – doch noch zueinander. „Ich koch uns erst einmal einen Kaffee“, lautete ihr letzter Satz. Es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass Monica Bleibtreu in der Nacht zum Donnerstag nun selber an den Folgen einer langjährigen Krebserkrankung gestorben ist. Wenige Tage zuvor war sie 65 Jahre alt geworden.   Für eine Schauspielerin, so heißt es, brechen mit 40 die schwierigen Zeiten an. Bleibtreu hat diese vermeintliche Branchenregel eindrucksvoll widerlegt. Sie hatte zwar kontinuierlich am Theater, fürs Fernsehen und Kino gearbeitet, ihre Filmografie beginnt 1966 und umfasst mehr als 120 Titel, doch zum Star stieg sie erst auf, als sie schon auf die 60 zuging. Als sie im Jahr 2001 für ihre Hauptrolle als Katia Mann in Heinrich Breloers Dokudrama „Die Manns“ gefeiert wurde, wies sie das Lob zurück: „Ich bin doch nur durch den Film gegangen, was habe ich schon gemacht?“ Die Titelrolle im Melodram „Marias letzte Reise“ – eine alte Bäuerin zieht sich lieber zum Sterben auf ihren Hof zurück als eine weitere Chemotherapie zu durchleiden – brachte ihr 2005 den Deutschen Fernsehpreis ein.

Von ihrem Sohn lernte sie Selbstbewusstsein - früher war sie dem Erfolg davon gelaufen

Und für ihren Auftritt im Kinoerfolg „Vier Minuten“ wurde sie 2007 beim Deutschen Filmpreis als „beste Schauspielerin“ ausgezeichnet. Ihre Leistung als Klavierlehrerin einer wegen Mordes verurteilten Strafgefangenen war gerade deshalb so beeindruckend, weil sie dem brennenden Furor der vierzig Jahre jüngeren Hannah Herzsprung einen stillen Trotz entgegensetzte, hinter dem die Verletzungen einer gebrochenen Biografie aufleuchteten. Solche energischen, distanzierten Frauen wurden zur Spezialität dieser Alterskarriere, zuletzt die Schauspiellehrerin Else Bongers im Biopic „Hilde“, die die junge Hildegard Knef zum internationalen Durchbruch treibt.

Als sie den Deutschen Filmpreis erhielt, bedankte sich Monica Bleibtreu – eine Umkehr der üblichen Danksagungsrituale – dafür bei ihrem Sohn Moritz. Von ihm, dem Jungstar, habe sie gelernt, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Bis dahin, gestand sie in Interviews, sei sie „immer weggelaufen, wenn es nach Erfolg roch“. Der 1971 geborene Sohn stammt aus einer Affäre mit dem österreichischen Schauspieler Hans Brenner, der 1998 starb. Bleibtreu zog den Jungen alleinerziehend in Hamburg groß, wohin sie 1972 von Ivan Nagel ins Ensemble des Deutschen Schauspielhauses geholt worden war. In „Lola rennt“, dem Film, mit dem Moritz’ Karriere begann, hat sie einen wunderbaren Cameo-Auftritt. Sie steht als blinde Alte mit Sonnenbrille und Stock neben der Telefonzelle, wo der von der Mafia gehetzte Sohn einen Supermarkt-Überfall verabredet, und steckt ihm am Ende ihre EC-Karte zu. Den großen gemeinsamen Film, für den sie schon lange auf ein passendes Drehbuch warteten, werden sie nun nicht mehr drehen können.

Sie wollte Schauspielerin werden, weil der Beruf "Hilfsarbeiterin" im Pass blöd aussah

Monica Bleibtreu, die 1944 in Wien geboren wurde, entstammte einer weit verzweigten Schauspielerdynastie. Ihre Großtante Hedwig Bleibtreu war eine Burgtheater-Größe, ihr Vater führte als Schauspieldirektor ein Theater in der österreichischen Provinz und ging dann pleite. Weil sie für die Familie dazuverdienen musste, brach Monica die Schule ab und nähte in einer Fabrik Gürtel. Schauspielerin wollte sie ursprünglich werden, erzählte sie einmal, weil es „blöd aussah“, dass in ihrem Pass „Hilfsarbeiterin“ stand. Sie absolvierte eine Ausbildung am Wiener Max-Reinhardt-Seminar und bekam mit 19 ein Engagement in Bonn.

Ihren ersten Triumph feierte sie mit Ende 20 als Shakespeares Julia in Hannover. „Zum Schluss Applaus, Applaus, Applaus. Das war ein Gefühl, ein größeres kann man auch bei einer Oscar-Verleihung nicht haben“, schwärmte sie noch dreißig Jahre später. Das Theater blieb ihre große Liebe, auch wenn sie bald schon mit Filmen wie „Ludwig – Requiem für einen jungfräulichen König“ von Hans Jürgen Syberberg (1972) Erfolge vor der Kamera sammelte. Monica Bleibtreu hat so oft starke Frauen gespielt, dass man ihr die zarten, sensiblen Rollen schließlich nicht mehr zutraute. „Ungerecht“ sei das, klagte sie. Im November kommt ihr letzter Film ins Kino: „Tannöd“, nach dem Krimi-Bestseller von Andrea Maria Schenkel. 

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