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''Nicht dran denken'': Hundstage

Die Komödie "Nicht dran denken" zeigt anhand einer italienischen Symbolfamilie den selbstverschuldeten Untergang der ganzen bürgerlichen Mittelklasse im Berlusconi-Italien.

Bei Musikern kommt die Midlife-Crisis früher. Stefano (unverschämt sexy: Valerio Mastandrea), einst erfolgreicher Punk-Rocksänger, hat mit 36 keine Lust mehr. Keine Lust auf Gigs, keine Lust auf die Kollegen, keine Lust auf die Freundin, keine Lust auf die Fans, die noch nicht mal in der Lage sind, einen Musiker beim Stagediving aufzufangen. Und beschließt: eine Auszeit muss her, am besten daheim bei Mama in Rimini. Noch einmal Kind sein: ein verlockender Gedanke, auch für ein Enfant terrible.

„Nicht dran denken“, Gianni Zanasis italienischer Überraschungserfolg von 2007, beginnt als klassische Komödie, eine Familienaufstellung wie aus dem Lehrbuch. Der Vater hat sich nach einem Herzinfarkt ganz in den Freizeitsport zurückgezogen, Mamma gibt sich spiritistischen Übungen hin, Schwester Michaela spricht im Zoo am liebsten mit Delphinen und Bruder Alberto hat die elterliche Konservenfabrik in kürzester Zeit in den Ruin geführt. Da fliegen Fetzen beim Abendessen, und Stefanos gut gemeinte Versuche, mit Nichte und Neffen einen entspannten Tag zu verbringen, enden in einer Konfrontation mit der Polizei.

So sind die Komödien, die wir aus Italien erwarten: ein bisschen albern, ein bisschen brav und ganz den traditionellen Werten der Großfamilie verpflichtet. Doch manchmal steht plötzlich viel mehr auf dem Prüfstand als eine Reihe von mehr oder weniger interessanten Protagonisten. Mit gnadenloser Unausweichlichkeit führt Zanasi seine Geschichte zu Ende: Reformunfähig, unbeweglich, selbstmitleidig, ist diese Familie Nardini in der Tat eine italienische Symbolfamilie für den selbstverschuldeten Untergang der ganzen bürgerlichen Mittelklasse im Berlusconi-Italien. So deutlich hat man das lang nicht mehr gesehen.

Mehr und mehr entpuppt sich Alberto (Giuseppe Battiston) als die eigentlich tragische Figur. Unfähig, das eigene Scheitern einzugestehen, riskiert er den Ruin des Unternehmens. Die hilflosen Versuche der Geschwister, zu retten was zu retten ist, führen nur noch tiefer in den Sumpf: Die Schwester aktiviert einen Ex-Freund, der inzwischen als Jungpolitiker Karriere macht, Stefano kontaktiert einen Schulfreund, der heute die Gewerkschaften vertritt, alle sind irgendwo an einem Punkt angekommen, wo sie nominell Macht und Einfluss haben und doch nichts mehr bewegen können. Rebellion bedeutet in einem Spiel, das Stefano mit Nichte und Neffen spielt, laufend die Geschwindigkeitsbegrenzung zu überwinden. Für die wirkliche Welt läuft er längst nicht mehr schnell genug.

Kleiner Tipp zum Schluss: Wenn möglich, unbedingt in OmU sehen. Italienische Komödien synchronisiert zünden nicht richtig. Christina Tilmann

Central, Filmkunst 66, Kino in der Kulturbrauerei, Babylon Kreuzberg (OmU)

Christina Tilmann

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