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Nobody's Perfect

© dpa

''Nobody's Perfect'': Fußreichungen

Der bewegende Film "Nobody’s Perfect" begleitet das Projekt eines Pin-up-Kalenders von Contergan-Geschädigten.

Eine Komödie über Contergan-Opfer? Als der WDR an Regisseur Niko von Glasow mit dem Vorschlag herantrat, einen „persönlichen, originellen und witzigen Dokumentarfilm über Menschen, die durch Contergan behindert sind“ zu drehen, fand der die Idee nicht prickelnd. Der in London lebende Filmemacher ist zwar selbst eins der etwa 10 000 „ConterganKinder“, die Ende der Fünfzigerjahre durch vorgeburtliche Kontamination mit dem Wirkstoff Thalidomid fehlgebildet zur Welt kamen. Doch bisher hat er seriöse Spielfilme gedreht, „Edelweisspiraten“ (2004) oder „Maries Lied“ (1994). Aber Glasow hatte sich selbst schon länger mit der Idee getragen, Aktaufnahmen mit Körperbehinderten zu machen, auch aus selbsttherapeutischen Gründen; denn neben der körperlichen Behinderung ist der verunsicherte Umgang der Mitmenschen mit Stummelarmen oder -beinen das größte Handicap für die Betroffenen.

Jedenfalls entschloss sich Niko von Glasow, das Filmprojekt mit der Herstellung eines Pin-up-Kalenders zu kombinieren, der – ihn selbst eingeschlossen – zwölf Contergan-Geschädigte in professionellen Aktaufnahmen versammeln sollte. Das Konzept ist simpel: Der Film begleitet das Kalenderprojekt von der Kandidatensuche bis zur öffentlichen Präsentation. Dabei erwies sich die Aufgabe, elf mutige Modelle zu finden, als erstaunlich einfach. Nach kurzer Bedenkzeit war jeder der Angesprochenen bereit, sich nackt vor der Kamera zu präsentieren.

Die Fotos, so viel sei vorweggenommen, sind fantastisch geworden. Und im Film „Nobody’s Perfect“ lernt der Zuschauer zwölf ungewöhnliche Menschen und ihre bewegenden Lebensgeschichten kennen: Die Dressurreiterin Bianca Vogel etwa, die gerne mit ihrem Lieblingspferd posieren würde. Den scheuen Gärtner Theo. Einen Frauen belästigenden Astrophysiker. Oder Kämpferseelen wie Kim Morton aus Belfast, die in England mit einem Hungerstreik finanzielle Entschädigung erstritt. Diese steht in Deutschland noch aus, auch davon erzählt der Film: etwa wie sich von Glasow in Michael-Moore-Manier vergeblich darum bemüht, mit Vertretern der für das Medikament verantwortlichen Produktionsfirma ins Gespräch zu kommen, die 2006 die Ausstrahlung von Adolf Winkelmanns ARD-Drama „Contergan“ mit rechtlichen Mitteln um ein Jahr verzögert hatten. Zwar zahlte Grünenthal nach einem Vergleich 1970 100 Millionen Mark. Aber die in eine Stiftung eingebrachten Gelder waren schon 1987 verbraucht.

Und der Witz? Eine Comedy ist von Glasows Film nicht geworden. Doch Humor stellt sich aus der oft selbstironischen Offenherzigkeit von Glasows Helden fast von selbst her und wird durch spielerisch selbstreflexive Erzählstrategien unterstützt. Die Kindheitsgeschichten aus dem Sechzigerjahresauberland sind oft bedrückend. Larmoyanz kommt trotzdem nicht auf. Wer sieht, mit welcher Eleganz Doris ihr Weinglas mit den Zehen zum Mund führt, kann die – im Film nie verwandte – politisch korrekte Rede von der „Andersbefähigung“ sinnlich erleben. Silvia Hallensleben

FT am Friedrichshain, fsk am Oranienplatz, International, Neue Kant Kinos

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