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Francois Ozon

© ddp

Regisseur François Ozon: „Ich liebe Monster“

Der französische Regisseur François Ozon über Melodramen, Künstlerschicksale und einen Horror namens Hollywood.

„Angel“ ist Ihre erste Literaturadaption. Wie nah sind Sie an Elisabeth Taylors Roman geblieben?

Wenn man einen fremden Stoff bearbeitet, muss man ihn betrügen. Im Roman ist Angel ein echtes Monster – das ist im Buch ein großer Genuss, aber für einen Film ein bisschen langweilig, weil sich die Figur nicht ändert. Deshalb habe ich versucht, Angel ein wenig liebenswerter zu gestalten. Sie ist die Art von Frau, die man gleichzeitig lieben und hassen muss: selbstsüchtig, schwierig, gemein, überambitioniert.

Der Film spielt mit den Regeln des Melodramas. Ein ziemlich angestaubtes Genre.

Ein geradliniges Melodrama wie in den dreißiger oder vierziger Jahren würde heute nicht mehr funktionieren, weil das Publikum viel cleverer ist. Todd Haynes „Dem Himmel so fern“ zum Beispiel hat den Stil des Genres zwar erstklassig imitiert, kam aber trotzdem nicht an einen Douglas-Sirk-Film heran. Ich wollte das Genre nicht nachahmen, sondern lieber mit seinen Klischees spielen. So gibt es ein paar vollkommen übertriebene Szenen, in denen sich Angels Leben und die Inspirationen vermischen, die sie in ihren Büchern verarbeitet.

Angel – eine Wiedergängerin von Scarlett O'Hara aus „Vom Winde verweht“?

Es gibt Parallelen. Scarlett und Angel sind in die Idee der Liebe verliebt. Sie verlieben sich in Männer, ohne sie wirklich kennen zu wollen. Außerdem mögen sie beide keinen Sex.

Ihre Hauptfiguren wirken auf den ersten Blick oft eher unsympathisch. Müssen Sie Abneigung gegenüber einer Figur empfinden, damit sie für Sie interessant wird?

Ich liebe Monster. Ich mag keine netten Leute. Mich interessieren Charaktere, die schwierig sind. Angel hat eine Obsession. Sie lebt in ihren Träumen, folgt ihrer Sehnsucht und stirbt daran. Es geht hier nicht um Ironie. Die Qualität von Angels Arbeit als Schriftstellerin ist für mich nicht wichtig. Ich bewundere ihren Willen, ihre Ambition und die Stärke, mit der sie ihre Kunst verfolgt.

Angel ist eine populäre Bestsellerautorin, ihr Mann Esmé ein verschmähter, avantgardistischer Maler. Welcher Kunstauffassung fühlen Sie sich näher?

Beide sind sehr engagiert in ihrer Kunst. Durch einen Zufall berührt Angel die Leute ihrer Generation, aber als der Erste Weltkrieg beginnt, ist sie vollkommen aus der Mode. Esmé hingegen ist seiner Zeit voraus und wird wahrscheinlich erst nach seinem Tod berühmt sein. Ich wollte die Tragödie und die Ironie im Leben eines Künstlers zeigen, der von seiner Gegenwart nicht erkannt wird. Van Gogh hätte den Erfolg und das Geld zu Lebzeiten gut gebrauchen können. Was soll er mit dem Ruhm, wenn er tot ist?

In „Angel“ vermischen Sie Traum und Wirklichkeit, spielen mit verschiedenen filmischen Realitätsebenen. Ein Stilprinzip?

Vielleicht arbeite ich so aus Angst, als Künstler irgendwann vollkommen getrennt von der Wirklichkeit zu sein. „Angel“ ist für mich eine Art Therapie. Wenn man als Künstler Erfolg hat, steckt darin immer eine gewisse Gefahr, verrückt zu werden, alles kontrollieren zu wollen und die Menschen um einen herum mit Füßen zu treten.

Dies ist Ihr erster englischsprachiger Film. Filme für ein breites, internationales Publikum erfordern reichlich Kompromisse.

Es war ein schwerer Kampf, überhaupt das Geld für diesen Film zusammenzubekommen. Bisher haben wir weder einen amerikanischen noch einen britischen Verleih gefunden – und das, obwohl wir in englischer Sprache gedreht haben. Am Anfang der Produktion war ein US-Studio an dem Projekt interessiert. Aber sie wollten, dass ich das Skript mit einem amerikanischen Drehbuchautor überarbeite, sie wollten ein Happy End und einen Star für die Hauptrolle. Wenn ich Kompromisse machen wollte, wäre ich längst in Hollywood.

Interview: Martin Schwickert.

François Ozon (39), der Star unter den jüngeren Regisseuren Frankreichs, spielt mit allen Kino-Genres. Wichtige Filme: „Sitcom“, „Unter dem Sand“, „8 Frauen“ und „Swimming Pool“.

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