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Schwedischer Film: Der erste Blick

Eine Emanzipationsgeschichte in illustrativen Szenen: "Die ewigen Momente der Maria Larsson" im Kino.

Krimigucker kennen Mikael Persbrandt als zynischen Polizisten Gunvald Larsson aus der schwedischen ZDF-Serie „Kommissar Beck“. Seine Rolle in Jan Troells Film ist gar nicht so weit von dem chauvinistischen Ekelpaket entfernt: Doch trotz Namens- und Charakterähnlichkeit ist der trunksüchtige Hafenarbeiter Sigfrid Larsson mit dem Stockholmer Kriminalkommissar höchstens weitläufigst verwandt.

Der neueste Film des schwedischen Altmeisters („Die Emigranten“) ist im beginnenden 19. Jahrhundert im kleinstädtischen Südschweden angesiedelt, wo auf der Straße erst rote Streikfahnen und dann Soldaten marschieren. Auch Sigge, der mit Saufgelagen, Affären und Jähzorn die Familie tyrannisiert, tendiert politisch zu den Roten. Im Zentrum des Films steht aber Larssons Ehefrau Maria, eine hart arbeitende Hausfrau, die ihre jährlich wachsende Kinderschar auch ökonomisch nur mit Mühen durchs Leben bringt. Eines Tages kramt sie in der Not eine bei einer Tombola gewonnene Fotokamera aus dem Schrank, um sie beim Fotografen zu versetzen. Der macht ihr ein besseres Angebot: Er tauscht Marias erstes Foto in ein Dauerabonnement auf Filmplatten und Chemie.

Das Bild zeigt ein verunglücktes Nachbarsmädchen auf dem Todesbett, das Maria auf Wunsch der Mutter aufgenommen hat. Die findet das Mädchen auf dem Foto schöner als im wirklichen Leben. Sie habe die „Gabe“, zu sehen, quittiert auch Fotograf Pedersen etwas altväterlich der stolzen Maria. Doch erst als Sigfrid in den Krieg ziehen muss, wird der Apparat für das Abschiedsporträt reaktiviert und Maria kann mit Porträts und Zeitungsaufnahmen die Haushaltskasse aufbessern. Bald wird die Fotografie zu einer – pragmatisch gehandhabten – Leidenschaft.

Der mittlerweile 79-jährige Regisseur erzählt die Emanzipationsgeschichte in illustrativen Szenen. Den Rahmen gibt ein naiv gehaltener Kommentar aus der Erinnerungsperspektive von Marias Tochter. Die finnische Darstellerin Maria Heiskanen („Lichter der Vorstadt“) verleiht ihrer Interpretation weiblichen Aufbruchs mit vorgeschobenem Kinn einen leicht angestrengten Ausdruck, der durch die überartikulierte Diktion der deutschen Synchronfassung verstärkt wird.

Die Kamera findet für Glück und Leid Bilder gediegener Qualität, die allerdings von der Aufbruchsstimmung der Zeit wenig spüren lassen. So erscheint die damals revolutionäre Lichtbildkunst hier von Nostalgie umweht. Filmästhetisch ist das eine fast rührend altmodische Alternative zum neuen 3-Dimensionalismus. Dass die an einer wahren Begebenheit orientierte Geschichte am Ende das Erdulden ehelicher Gewaltverhältnisse zum Liebesakt verklärt, ist allerdings doch arg viel Großherzigkeit.

Eiszeit und Filmkunst 66

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