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"The Limits of Control“: Der Seelenwanderer

Jim Jarmusch schickt in "The Limits of Control“ Isaach De Bankolé auf eine mysteriöse Reise.

Ein Film wie ein Puzzle. Auf den ersten Blick verwirrende Vielfalt, doch dann gehorcht alles dem gleichen Prinzip: passt oder passt nicht. Jim Jarmusch hat bei „The Limits of Control“ an Bach’sche Fugen gedacht, und entsprechend leitmotivisch ist sein Film gebaut. Immer wieder die gleichen Elemente – zwei Espressotassen, eine Streichholzschachtel, Sonnenbrillen, und die Frage: „Sie sprechen kein Spanisch, oder?“ Dabei sprechen die Protagonisten Englisch, Spanisch, Französisch, Japanisch und Arabisch. Diskutieren über Musik und Filme, den Ursprung des Wortes Bohème, Drogen, Kunst oder Physik. Verstehen tun sie sich trotzdem nicht, auch ein Übersetzer streckt die Waffen. Nur die Hauptfigur weiß, woran sie ist, und das ohne Worte. Passt.

Es ist ein außergewöhnliches Filmexperiment, dieser neue Jarmusch. Gleichzeitig opulent und asketisch, simpel und philosophisch, wortkarg und elegisch. Eine fernöstliche Meditation mit den bekannten Western-Elementen eines Roadmovie. Als hätte sich Wong Kar-Wei mit Aki Kaurismäki zusammengetan, und Orson Welles und Wim Wenders hätten Pate gestanden. Was natürlich zu einem Großteil daran liegt, dass Wong Kar-Weis Kameramann Christopher Doyle von Jarmusch ungewöhnlich viel Freiheit eingeräumt bekommt, fast, als sei es eher um Videokunst als um Filmerzählung gegangen. Doyle jedenfalls schwelgt in Grün- und Rottönen, als ob er eine Fortsetzung zu „2046“ plane, nur nicht in Japan oder Amerika, sonden in Europa.

Durchs menschenleere Spanien reist ein einsamer Mann (Isaach De Bankolé), wahlweise im graublauen oder braunen Anzug, und mit unklarem Auftrag: von den spacigen Hochhausbauten in Madrid über Sevillas enge Gassen bis in die Weite der andalusischen Wüste. Es leiten ihn auf seinem Weg Zettel mit kryptischen Codes, versteckt in Streichholzschächtelchen mit einem Boxerbild darauf, oder Bilder, die er im Museum sieht, und zufällige Begegnungen mit Menschen, die bloße Chiffren bleiben: der Kreole, die Violine, die Gitarre, die Nackte, die Blondine, das Molekül, die Fahrerin, der Amerikaner.

Der Amerikaner (Bill Murray) ist der Böse, so viel ist klar. Tilda Swinton hat einen Traumauftritt als blonde Filmfanatikerin. Und die Nackte (Paz de la Huerta) muss dran glauben, Sex bei der Arbeit lehnt der Fremde ab. Emotionen kommen nur auf, wenn er nicht, wie bestellt, zwei Espressi in zwei Tassen bekommt. Eine Szene, die Jarmusch mit seinem Hauptdarsteller real erlebt hat. „Ich weiß, was ich will, ich habe gesagt, was ich will, und das ist, was ich will“, hat Isaach De Bankolé dazu gesagt.

Er ist ein würdiger Nachfolger des stoischen Johnny Depp in „Dead Man“, oder des philosophischen Killers Forrest Whitaker in „Ghost Dog“: dieser Isaach De Bankolé als lonely rider. Ein Mann auf Mission, und gleichzeitig schon auf dem Weg ins Jenseits, oder ins selbstzentrierte Nirwana, das von keiner Gesichtsmuskelzuckung gestört wird. So viel Gelassenheit, da darf dann auch schon die Erfüllung des ohnehin unklaren Auftrags mit Gleichgültigkeit erwartet werden. Untermalt wird das mit viel cooler Elektro-Musik, diesmal von der japanischen Band „Boris“, mit dem Adagio aus Schuberts Streichquintett C-Dur und einem Flamenco-Stück, gesungen von Carmen Linares, das den philosophischen Subtext liefert: „Wer sich für wichtiger hält als die anderen, soll auf den Friedhof gehen. Da wird er begreifen, dass wir Erde sind ...“

Das beliebteste Fortbewegungsmittel sind übrigens Rolltreppen und Förderbänder, an Flughäfen und Bahnhöfen. Weiterkommen, obwohl man sich selbst nicht bewegt. Das ist das Grundprinzip des Films. Man kann es Traumreise nennen. Oder auch Stillstand.

Der Film läuft ab Donnerstag in den Kinos.

Christina Tilmann

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