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© Kinowelt

The Wrestler: Mickey Rourke: Der Kampf geht weiter

Grandioses Comeback eines Altstars: Mickey Rourke ist „The Wrestler“ in Darren Aronofskys Filmdrama.

Wrestling gilt als harmloser Schaukampf. Die Athleten tragen groteske Kostüme, in denen sie wie Comicfiguren aussehen. Ihre größten Fans sind Kinder. Der Sieger der perfekt durchchoreografierten Duelle steht von Anfang an fest. Und das Blut, das dabei spritzt – das ahnt jeder Fernsehzuschauer, der schon einmal zappend bei einem Wrestling-Kampf hängengeblieben ist –, ist bloß Theaterblut.

Mit diesen Vorstellungen räumt der Film „The Wrestler“ gründlich auf. Die Kämpfe, die er zeigt, sind alles andere als harmlos. Sein Held, der von Mickey Rourke gespielte Wrestler Randy „The Ram“ Robinson, hat seine besten Zeiten lange hinter sich. Für ihn kommt es nicht mehr darauf an, zu gewinnen. Er versucht nur noch durchzuhalten. Seit einem Vierteljahrhundert steht er schon im Ring, der Sport hat seinen Körper ruiniert. In einer der stärksten Sequenzen des Films sind die Szenen eines Kampfes und die Minuten danach in der Kabine ineinandergeschnitten.

Blut fließt reichlich und bei jedem Treffer jubelt das Publikum

Mickey Rourke versorgt seine Wunden, stillt das Blut, das ihm aus Stirn und Brust quillt, und zieht Klammern und Scherben aus seinem Körper. Dann ist zu sehen, wie sie hineingelangt waren. Rourke und sein Kontrahent gehen mit Flaschen, Maschendraht und Tischplatten aufeinander los. Sie schlagen, treten, beißen. Wenn einer am Boden liegt, springt der andere mit voller Wucht von den Ringpfosten auf ihn drauf. Sie tackern einander Heftklammern ins Fleisch. Das Blut fließt reichlich, und bei jedem Treffer jubelt das Publikum. Wrestling ist, das zeigt „The Wrestler“ mit beinahe dokumentarischer Genauigkeit, ein mörderisches Geschäft. Nach dem Kampf übergibt sich Rourke vor seinem Spind und bricht bewusstlos zusammen.

Als er wieder aufwacht, liegt er im Krankenhaus. Die Herzattacke hat er knapp überlebt, eine lange Narbe auf seiner Brust erinnert an die Operation. „Sie wären beinahe gestorben. Beim nächsten Mal haben Sie vielleicht weniger Glück“, sagt ihm der Arzt. Wenn er weiter kämpfen will, die Diagnose ist eindeutig, wird das sein Todesurteil sein. Also beginnt für Randy „The Ram“ Robinson noch einmal ein anderer Kampf: der ums buchstäbliche Überleben. Anfangs kann er kaum laufen, mühsam bringt er sich wieder in Form. Er flirtet mit einer Nachtclub-Stripperin (Marisa Tomei), geht mit ihr aus, eine Romanze scheint sich anzubahnen. Und er trifft sich mit seiner Tochter (Evan Rachel Wood), um die er sich jahrelang nicht gekümmert hat. Aber sie sagt bloß „Du bist ein solches Arschloch“ und lässt ihn erst einmal stehen.

Nach den üblichen Hollywood-Regeln würde „The Wrestler“ nun auf ein Happy End zusteuern. Der Held ist geläutert, er bereut seine Fehler und beginnt ein neues Leben. Doch so einfach macht es sich der Film von Darren Aronofsky, der bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, zum Glück nicht. Er bleibt, oft mit Handkamera, ganz nah dran an seiner Hauptfigur, und für einen Mann wie Randy Robinson hat das Leben eben kein Happy End vorgesehen. „Ich bin ein altes heruntergekommenes Stück Fleisch“, sagt er seiner Tochter. Gleich danach steht er in Schürze und mit Haarnetz hinter einer Theke und wiegt Wurst für Supermarktkunden ab.

Eine größere Demütigung ist für Robinson, den solariumgebräunten Supermacho mit schulterlangen, blondierten Haaren, kaum vorstellbar. Das Wrestling ruiniert ihn, aber es macht ihn auch zu einem freien Mann. Wobei die Freiheit aus ein paar Dollarscheinen besteht, die ihm nach einem Kampf zugesteckt werden. Er lebt in einem Wohnwagen, wo die US-Flagge neben einem AC/DC-Poster hängt.

Mickey Rourkes Rolle scheint mit seiner Biografie unterfüttert zu sein

„The Wrestler“ ist Mickey Rourkes Film. Gäbe es Gerechtigkeit in dieser Welt, hätte er dafür den Oscar als bester Hauptdarsteller bekommen müssen, für den er nominiert war. Denn besser war der inzwischen 56-jährige Schauspieler nie, auch nicht in „Rumble Fish“, „Angel Heart“ oder „Barfly“. Seine Rolle scheint mit der eigenen Biografie unterfüttert zu sein, die Parallelen zwischen dem Star, der tief stürzte, und dem abgehalfterten Wrestler liegen auf der Hand.

Als seine Karriere Anfang der neunziger Jahre ins Stocken geriet, wechselte Rourke in den Boxring und bestritt acht Kämpfe als Profiboxer. Dabei wurden seine Wangenknochen zertrümmert, den Rest zu seinem gespenstischen Aussehen trugen einige verpfuschte Schönheitsoperationen bei. „Everything dies, baby, that’s a fact / But maybe everything that dies some day comes back“, singt Bruce Springsteen im Soundtrack von „The Wrestler“. Mickey Rourke ist wieder da.

Auch Randy „The Ram“ Robinson träumt von einem Comeback. Ein Kampf noch, dann will er aufhören. Also tritt er noch einmal gegen seinen größten Gegner an, den „Ayatollah“. Ein letzter Triumph. Rourke klettert auf die Ringpfosten, der Saal jubelt. Dann springt er. Und das Bild friert ein.

Ab Donnerstag in zehn Berliner Kinos. OmU im Babylon Kreuzberg und Central Hackescher Markt, OV im Cinestar Sony Center

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