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Tragikomödie: So schön für dich

Sanfte Tragikomödie: Nadine Labakis "Caramel" erzählt vom unfreien Leben der Frauen in Beirut.

Mädchenzucker. So sagt man im Libanon, wenn Zitronensaft, Wasser, Zucker erhitzt und zu einer süßen Masse werden. Doch der „sukkar banat“ kann auch zwicken: In der arabischen Welt ist Karamell seit jeher das Mittel zur Entfernung unwillkommener Körperhaare. „Mach mal den Zucker warm“, sagt Layale, und beginnt damit ein intimes Ritual, von dem die Männer nichts wissen: Mädchenzucker wird angerichtet, aufgetragen und dann abgerissen mit einem Ruck. Das kann weh tun.

„Meinem Beirut“ hat Nadine Labaki ihr Spielfilmdebüt gewidmet. Eine Stadt im Aufbruch: Christen und Muslime wohnen Tür an Tür, junge Frauen sind selbstbewusst, modern und eigensinnig. Und doch wechselt die junge Muslimin jedes Mal ihr Kleid, wenn sie zur Familie fährt. Eine Mittdreißigerin mag rücksichtslos Auto fahren, mit dem Handy telefonieren und einen eigenen Schönheitssalon besitzen – solange sie nicht verheiratet ist, wohnt sie bei den Eltern und teilt sich das Zimmer mit dem kleinen Bruder. Ins Hotel darf sie nicht. Und wenn sie mit einem Mann im Auto sitzt, der nicht ihr Gatte ist, kann das zur Verhaftung führen. Nicht leicht für Frauen, sich Sehnsüchte zu erfüllen: in dieser an Widersprüchen reichen Stadt steht sie immer unter Beobachtung.

„Si Belle“ heißt der Schönheitssalon von Layale (Nadine Labaki): behaglich eingerichtet und dunkel, damit man sich von der Sonne erholen kann. Ein Unterschlupf, in dem die Frauen sich einfinden, um sich für bemessene Zeit nicht verstellen zu müssen. Layale liebt einen verheirateten Mann. Nisrine (Yasmine Al Masri) wird bald heiraten, ist aber keine Jungfrau mehr. Rima (Joanna Moukarzel) verliebt sich in eine Kundin. Jamale (Gisèle Aouad) kann das Älterwerden nicht ertragen. Rose (Siham Haddad) pflegt ihre kranke Schwester und muss auf spätes Glück verzichten. Der Verkehrspolizist (Adel Karam) vor dem Laden liebt Layale und verpasst ihr Strafzettel. Auch er wird Haare lassen.

Hier gibt es nichts, was man nicht kommen sieht: „Caramel“ ist einer jener Filme, die nicht wirklich eine Geschichte zu erzählen haben, sondern versuchen, Atmosphäre einzufangen: eine Handvoll Menschen, in diesem Moment, in dieser Stadt. Labaki setzt das Bild aus fein beobachteten Augenblicken zusammen: wenn der Verliebte der Frau gegenüber sitzt, ihr beim Telefonieren zusieht und Antwort gibt, als wäre er selbst am anderen Ende der Leitung. Wenn der elegante alte Herr (Dimitri Stancofski) vergeblich auf die Schneiderin wartet und beim Verlassen des Cafés der Blick auf seine Hose fällt: viel zu oft gekürzt. Oder: Wenn die unbekannte Schöne den Salon betritt, um sich von Sima verwöhnen zu lassen – die eine wäscht Haare, die andere lässt es sich gefallen, mehr ist da nicht zu zeigen. Dann fällt der Strom aus. Rima wirft den Dieselgenerator an.

Nadine Labaki gelingen diese Augenblicksbilder ganz wunderbar. Mit sicherer Hand und viel Schwung verknüpft sie die Handlungsstränge und zeigt sich in der Hauptrolle auch als glänzende Schauspielerin und Komödiantin. Sorge und Verzweiflung sind stets anwesend in dieser sanften Tragikomödie, doch Labaki stülpt sie nicht nach außen, sondern hebt die Figuren auf in ihrem liebevollen Blick. Mit seinen betörenden Bildern, der melancholischen Musik von Labakis Ehemann Khaled Mouzanar und einem größtenteils aus Laien zusammengesetzten Ensemble ist „Caramel“ so einladend wie der intime Winkel, von dem er erzählt. Nadine Labaki gibt zwar sehr viel mehr Zucker als Zitronensaft dazu. Doch das Mischverhältnis ist gerade so, dass man nicht widerstehen kann.

Cinema Paris, Cinemaxx Potsdamer Platz, FT Friedrichshain, Kulturbrauerei, Passage; OmU in den Hackeschen Höfen

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