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Kevin Spacey (links) und Jeremy Irons.

© Reuters

Wettbewerb: Von Haien und Menschen

Firma in der Finanzkrise: "Margin Call" – und eine Begegnung mit den Darstellern Kevin Spacey und Jeremy Irons.

Der Mann, der dem Casino-Kapitalismus ein Gesicht gab, war Gordon Gekko. Michael Douglas hat ihn in den beiden „Wall Street“-Filmen von Oliver Stone als Haifisch mit Hosenträgern gespielt. „Gier ist gut“, lautete sein Mantra. In „Margin Call“, dem Wettbewerbsbeitrag von JC Chandor, tritt ein Börsen-Bösewicht von anderer Statur auf. Jeremy Irons gibt den Chef einer vor dem Bankrott stehenden New Yorker Investmentbank – wir schreiben das Finanzkrisen-Jahr 2008 – als Theaterhelden, wie einen Shakespeare-König.

Bevor er mit dem Hubschrauber zur nächtlichen Krisensitzung eingeflogen wird, haben seine Untergebenen, die ihn hofschranzenartig fürchten, diskutiert, ob man ihn zu so später Stunde noch anrufen dürfe. Auf Überlegenheitsgesten à la Gekko kann Irons verzichten, ihn umgibt eine Aura quasi angeborener Autorität. Sein Spiel ist zurückhaltend, im Macbeth-Modus jede Silbe klar artikulierend gibt er Sentenzen wie „Sei der erste, sei radikal oder betrüge“ von sich. Aber ist er überhaupt böse, wirklich böse?

„Margin Call“, Chandors erster langer Spielfilm, ist ein Gegenentwurf zu „Wall Street“. Der Film zeigt, was die Gier aus Menschen machen kann, nicht, wie bei Stone, als gleichnishaftes Großpanorama, sondern als Kammerspiel, verdichtet auf zwei Tage und eine lange Nacht. Unheil hängt gleich über den ersten Bildern. Dunkle Schatten ziehen im Zeitraffer über die Skyline von Manhattan. Schweigend, mit versteinerten Gesichtern laufen Business-Menschen durch Büroflure, eine Prozession der Aussortierten. In einer Entlassungswelle werden achtzig Prozent der Mitarbeiter aus einer kompletten Banketage vor die Tür gesetzt.

Fressen oder gefressen werden, im Finanzsektor herrschen Darwins Gesetze. Das Erste, was man von Kevin Spacey sieht, sind graue Schläfen, ein müdes Gesicht und die breiten Hosenträger über seinem gestreiften Hemd. Er ist der Abteilungsleiter, und er trauert um seine sterbende Golden-Retriever-Hündin, die er am Ende begraben wird. Er hat die manipulativen Tricks der Motivations-Gurus drauf, seinen Leuten ruft er zu: „Die Gefeuerten waren gut. Aber ihr seid besser.“ Aber ihn für einen Gekko-Charakter zu halten, wäre grundfalsch. Spacey wird im Laufe des Films immer zerknautschter aussehen, in seiner hängeschultrigen Angestelltenart immer mehr an Jack Lemmon erinnern und doch Rückgrat beweisen. Die Katastrophe kommt ins Rollen, als ein junger Analyst entdeckt, dass die Bank faule Hypotheken angehäuft hat. Irons, der Chef, entscheidet: alles verkaufen, so schnell wie möglich, auch bei Verlust. Spacey, der Untergebene, widerspricht: Den Leuten, denen sie diese Papiere andrehen, werden sie nie wieder etwas verkaufen können. Seine Loyalität gilt nicht dem Boss, sondern der Firma. Ein Moralist unter Aasgeiern, der klein beigeben muss.

Der „fire sale“ wird telefonisch abgewickelt, mit teils öligen, teil aggressiven Anrufen bei anderen Investmentbänkern, ein putziges Bild in einer Zeit, in der solche Geschäfte wohl eher am Computer stattfinden. Auch der Versuch, mit dem Verschwinden einer Nebenfigur eine zusätzliche Krimiebene einzuziehen, wirkt angestrengt. „Margin Call“ reiht etwas zu viele Dialoge , in Konferenzräumen, Toiletten, im Auto, auf dem Hochhausdach. Der Film blickt in eine nahe Vergangenheit, was ihn auszeichnet, ist eine Atmosphäre des Todes, die ihn durchtränkt. In einer Szene sitzt ein Analyst in einem leeren Großraumbüro. Per Kopfhörer hört er eine herzzerreißende Ballade des Countrysängers Townes Van Zandt: „Waiting Around to Die.“

Begegnung mit Spacey und Irons

Glück gehabt! Weder Kevin Spacey noch Jeremy Irons hatten während der Bankenkrise 2008 finanzielle Verluste zu beklagen. Er spekuliere nicht, lege sein Geld nur ganz sicher an, versichert Irons der kleinen Journalistenrunde im Regent Hotel am Gendarmenmarkt und lächelt mal wieder besonders verschmitzt. Währenddessen gibt Spacey, die Stirn kurz in Sorgenfalten, die angesichts der Krise geschrumpfte Spendenbereitschaft zu bedenken, die auch Theater wie das von ihm geleitete Londoner Old Vic betreffe. Aber er persönlich? Nein.

Sehr viel Ahnung von den Geheimnissen des Investment Bankings scheint er allerdings nicht zu haben. Das versucht er auch gar nicht erst vorzugaukeln: „Margin Call? Das ist irgendwas mit Zahlen.“ Genauer kann er es nicht sagen, will es auch nicht, mokiert sich nur kurz über derartiges Fachchinesisch. Und ohnehin, um den Film zu verstehen, sein Anliegen zu erkennen, müsse man nicht wissen, was ein Margin Call sei.

Nicht dass Spacey etwas gegen Banker hätte, einige kennt er sehr gut, hat schon deswegen zu ihrer Welt einigen Zugang, da er dort seit Jahren um Unterstützung für das Old Vic wirbt und erhält, und ein paar haben er und seine Mitspieler auch noch eigens zur Vorbereitung auf ihre Rollen getroffen. Darunter seien sehr nette Leute, keineswegs die geldgierigen Monster, als die sie nach der Bankenkrise oft gescholten worden waren. Und Schwarzweißmalerei oder die Verurteilung der Banker sei sowieso nicht das Ziel gewesen: „Es ist nicht meine Aufgabe, über die Leute zu richten, sondern sie zu spielen, um so im Publikum eine Art Empathie, ein Verstehen zu bewirken.“ To humanize a person, eine Figur menschlich zu gestalten, darum gehe es ihm eigentlich immer, und da kam die Trauer des von ihm gespielten Bankers um seinen todkranken Hund gerade recht, als eine die Figur menschlicher machende Facette. Übrigens habe er selber einen Hund, Minni mit Namen, 13 Jahre alt, und so wie Spacey mit den Händen dessen Größe beschreibt, ist es auf keinen Fall eine Dogge.

Auch an diesem Freitagnachmittag am Gendarmenmarkt ist viel von Moral die Rede, wie schon mittags bei der Pressekonferenz am Potsdamer Platz. „Ich glaube, dass die globalen Unternehmen und Investmentgesellschaften weitgehend unmoralisch sind“, hatte Irons dort verkündet. „Wir brauchen aber Moral und müssen an die Menschen denken, denen die Häuser weggenommen wurden.“ Der wilde Konsum der letzten 25 Jahre dürfe nicht weitergehen, die Resourcen seien begrenzt. Doch auch Irons will den Banker nicht die alleinige Schuld zuschieben. Schuld ist für ihn das nur mangelhaft kontrollierte System

Samstag 12 Uhr und 23 Uhr (Friedrichstadtpalast) sowie 20 Uhr (Urania); 20.2., 22.30 Uhr (Friedrichstadtpalast)eute 12 Uhr und 23 Uhr (Friedrichstadtpalast) sowie 20 Uhr (Urania); 20.2., 22.30 Uhr (Friedrichstadtpalast)

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