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"Whisky mit Wodka": Tango? Hab ich im Gesicht!

Herbst ist es immer in "Whisky mit Wodka", diesem Film über einen Film, der seinerseits im Sommer und im Winter spielen soll und an einem schon ungemütlich kalten Strand auf Rügen gedreht wird. Ein Film über das Altern – und das Filmemachen.

Die Hubschrauberszene ist die Schlüsselszene. Die, in der letzte Wahrheiten ausgesprochen werden und in der sich entscheidet, wo der Film hinfliegen wird und ob er abkommt vom Weg, ob er den Höhenflug meistert oder zu Boden sinkt, zu schwer für die Luft, die ihn tragen soll.

Der Schauspieler Otto Kullberg (Henry Hübchen) ist auf dem Weg ins Krankenhaus, wo er dem Tod begegnen wird. Neben ihm im Cockpit die hübsche Nachwuchs-Aktrice Heike (Vera Tscheplanowa), und sie blickt auf die Herbstwälder, ach, wie schön, da müsste man mal ein Gedicht drüber schreiben, und Otto fängt an zu rezitieren, Rilkes Herbstgedicht, Herr, es ist Zeit. Er rezitiert gut, das ganze Gedicht, bis zum Ende, wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben.

Ist das jetzt Pathos? Poesie? Oder vielleicht der eine Tick zu viel, der Moment, in dem der Film, der bislang mit seinem Füllhorn von locker gestreuten Bonmots jene elegante Balance zwischen Sentimentalität und Tempo gehalten hatte, ins Überbedeutsame kippt. In dem man ahnt, dass es nicht so lockerflockig weitergehen kann, mit diesem lässig abgerockten Altstar, dem bei den Dreharbeiten wegen seines Alkoholproblems ein Double an die Seite gestellt wird. Und in dem man merkt, was geschieht, wenn die Wirklichkeit einbricht in die hermetische Film-im-Film-Welt, in der jeder mit jedem was hat – was am Ende nichts bedeutet, nach dem Motto: „Ich kann Ihnen nur sagen, was mein geschätzter Kollege Mastroianni gesagt hat: Am meisten vögeln die Kameraassistenten.“

Herbst ist es immer in „Whisky mit Wodka“, diesem Film über einen Film, der seinerseits im Sommer und im Winter spielen soll und an einem schon ungemütlich kalten Strand auf Rügen gedreht wird, im Wohnwagenpark, wo man doch auch im eleganten Hotel schlafen könnte. Der Morgen oder die Abenddämmerung, das sind die Zeiten, an denen das Schauspielvolk am Strand sitzt und nachdenkt, wenn die Sonne im Meer versinkt, und fühlt, das eigene Leben sinkt gleich mit.

Ein Film über die Melancholie des Alters: Bestimmt ist es kein Zufall, dass Henry Hübchen, der zuletzt in Michael Kliers „Alter und Schönheit“ eine ähnlich melancholische Rolle übernahm, jetzt den knarzig-widerborstigen Mimen Otto spielt. Andreas Dresen, der sich in der Rolle des überforderten Regisseurs Martin Telleck lustvoll parodiert, schlägt nach dem kompromisslosen Altersliebesfilm „Wolke 9“ wieder einen leichteren Ton an, für den ihm Wolfgang Kohlhaase erneut das perfekte Drehbuch geschrieben hat. „Du kannst für 2,50 nicht die Bibel verfilmen.“ – „Ich bin nicht der Eimer, in den jeder scheißt.“ – „Tango? Hab ich im Gesicht.“ Es hagelt Bonmots, und seit Marilyn Monroe, die sich bei „Manche mögen’s heiß“ nie merken konnte, wo im Schrank die Whiskyflasche versteckt ist, hat man kein besseres Wiederholungsdrama gesehen – um das mehrfach verpatzte Stichwort „Arschloch!“.

Hinzu kommen Schauspieler in Höchstform, eine überragende Corinna Harfouch als Ottos Ex-Geliebte Bettina, die Henry Hübchen locker an die Wand spielt, mit ihrer herben Schönheit und spürbaren Resignation – wenn sich einer wie Hübchen denn an die Wand spielen ließe, dieses Theatertier mit Instinkt für die große Szene. Und doch ist das alles einen Tick zu eingängig, zu gefällig, lässt man sich etwas zu leicht hineinsinken in das Spiel mit dem Tod und der Melancholie, das jede gute Komödie grundiert.

„Wir fahren erst morgen“, sagt Bettina, als sie zusammensitzen, am letzten Morgen am Strand. „Wie schön, dann können wir einfach noch ein bisschen hier bleiben“, freut sich Otto. Er wird alleine bleiben. 

Christina Tilmann

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