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Kino: „Wir alle müssen unsere Schuld eingestehen“

Srdan Golubovic über die Sorgen Serbiens und Hoffnung fürs heimische Kino

„Klopka“ erzählt eine Geschichte, die überall auf der Welt passieren könnte. Andererseits ist sie stark im heutigen unruhigen Nachkriegsserbien verwurzelt. Sehen Sie sich als Regisseur mit sozialer Verantwortung?

Wenn man in einem Land lebt, in dem die letzten 20 Jahre so dunkel und wahnsinnig waren, kann man nicht desinteressiert sein an Politik. Für mich war es das Wichtigste, mit „Klopka“ etwas über die heutige serbische Gesellschaft zu sagen. Ich wollte etwas für meine Generation tun, weil viele blind geworden sind. Sie denken nicht mehr über die Realität nach. Sie sind einfach müde geworden.

Die Mittelklasse erscheint in „Klopka“ ohnmächtig. Wollen Sie mit Ihrem Film dabei helfen, diese Depression zu überwinden?

Ich bezweifle, dass Kunst der Gesellschaft helfen kann. Besonders wenn die Gesellschaft – wie die unsere – nicht gerade gesund ist. Ich will die Leute zum Nachdenken anschieben, etwa mit der Szene an der Kreuzung: Im Verkehr treffen sich alle Schichten. Da ist der reiche Mann im Jeep, der Ingenieur im R 4, der in Serbien als Mittelklasseauto gilt, und da sind die Zigeunerkinder in ihrem Gefährt. Alle sind zur selben Zeit am selben Ort, aber ihre Leben sind total verschieden.

Der Film spielt im winterlichen Belgrad, in dem nie die Sonne scheint. Eine Metapher für die Düsternis um den Helden Mladen?

„Klopka“ ist ein urbaner Western. Mit einem einsamen Antihelden im Eastwood-Stil: ein guter Mann, der eine böse Sache tut. Doch Mladens Weg vom Guten, der ein Verbrechen begeht, über die Wiedergutmachung bis zur Katharsis ist ein Weg, den auch Serbien gehen muss. Wie er muss die ganze Gesellschaft sagen: Wir sind schuld an etwas. Wenn wir das nicht eingestehen, wird Serbien nicht vorwärtsgehen können.

Gibt es andere serbische Filmemacher, die wie Sie fühlen und politische und sozial relevante Filme drehen?

In den neunziger Jahren gab es bei uns fast nur Mainstream, und das Arthaus-Kino ging kaputt. Jetzt findet ein Generationswechsel statt – mit Regisseuren wie Oleg Novkovic, Stefan Arsenijevic, mir und anderen, die alle ein ähnliches Gefühl gegenüber unserem Land haben. Wir wollen so etwas wie Arthaus-Filme machen und werden dabei von bekannten Regisseuren wie Emir Kusturica und Goran Paskaljevic unterstützt.

Wie sind die Produktionsbedingungen der Filmemacher heute? Die lange Sponsorenliste im „Klopka“-Abspann lässt enorme Finanzierungshindernisse vermuten.

Das ist etwas besser geworden. Die Regierung und das Kulturministerium unterstützen jährlich fünf, sechs Filme mit 30 bis 50 Prozent des Budgets. Zusätzlich muss man Sponsoren, Fernsehsender und ausländische Koproduzenten suchen. Letztes Jahr wurden in Serbien zwölf Filme gedreht, nur sechs davon bekamen staatliche Unterstützung. Es wäre gut, wenn der Kulturminister in den nächsten Jahren um die zehn Filme unterstützen würde.

Nun gehen Sie sogar mit „Klopka“ für Serbien ins Oscar-Rennen.

Aber die Chancen sind gering. Ein Film aus einem so kleinen Land wird nur sehr selten nominiert. Wir werden versuchen, uns so gut wie möglich zu präsentieren. Wichtiger ist, dass wir beim Europäischen Filmpreis dabei sind. Es freut mich, dass alle Mitglieder der Europäischen Filmakademie „Klopka“ sehen werden.

Werden Sie in Ihrem nächsten Film erneut den Serben ins Gewissen reden?

Ich suche nach etwas, was von der Struktur her anders ist als „Klopka“. Aber es wird wieder ein Film über den Verlust moralischer Werte sein. Ich hatte nie vor, mich als Regisseur auf dieses Thema zu konzentrieren, aber Geschichten darüber ziehen mich an. Es ist gut, wenn ein Regisseur sein Spielfeld findet. Ich glaube, ich bin sehr nah dran, meines zu finden.

Das Gespräch führte Nadine Lange.

Srdan Golubovic (35) hat in seiner Heimatstadt Belgrad Regie studiert. „Klopka“ ist sein zweiter Spielfilm und lief dieses Jahr im Berlinale-Forum. Er

gewann Preise bei zahlreichen Festivals.

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