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Zeichentrick: Arche Boah, ey!

Zwischen Rambo und Öko: Gore Verbinskis „Rango“ ist ein Western der besonderen Art.

Gerade erst erlebt das Westerngenre mit „True Grit“ sein stilvolles Revival, da bekommen die Gebrüder Coen Unterstützung von einem Chamäleon. Rango heißt die computeranimierte Echse, die ihr Leben in einem Terrarium verbracht hat, bis der Glaskasten vom Umzugswagen rutscht, auf der Straße zerschellt und das Schuppentier in den heißen Wüstensand geschleudert wird. Bisher hat Rango in Gesellschaft eines Aufziehfisches und einer ramponierten Plastikpuppe selbst ersponnene Abenteuergeschichten in Szene gesetzt. Jetzt erwartet ihn in der Wüste das echte Reptilienleben in seiner härtesten Form.

Dem Orakelspruch eines Gürteltieres folgend landet Rango nach langer Wanderung in Dreck – so nennt sich das heruntergekommene Städtchen, in dem sich die verhärmten Wüstenbewohner um die letzten Wasservorräte scharen. Seit Monaten schon bleibt hier die Leitung trocken. Immer mehr Tiere verlassen die Stadt, die Immobilienpreise stürzen ins Bodenlose, und auch die Wasserbank, in die die Bewohner jeden übrig gebliebenen Tropfen eingezahlt haben, geht pleite. Ganz Dreck wartet auf einen Helden, und einem schauspielerisch begabten Großmaul wie Rango glauben sie in Krisenzeiten nur zu gern. Schon hat das Chamäleon den Sheriff-Stern auf der Brust und soll sich in der staubigen Stadt auf die Suche nach dem verschwundenen Wasser machen.

Aus der Flut der Computeranimationsfilme ragt „Rango“ deutlich heraus. Mit sichtbarem Spaß am Genre entwirft Gore Verbinski, der mit „Fluch der Karibik“ schon den Piratenfilm reanimiert hat, sein detailverliebtes Western-Setting: staubige Straßen, stilvoll verrottete Häuser und eine Vielzahl von Pelz-, Borsten- und Schuppentieren, die bis in die kleinsten Nebenrollen als eigenwillige Charaktere modelliert sind. Auch der Held des Films, dem im amerikanischen Original Johnny Depp seine Stimme leiht, ist keine dieser knuddeligen Identifikationsfiguren. Nur langsam entwickelt sich das seltsame Echsentier zum Sympathieträger, indem es auf spielerische Weise seine in der Einsamkeit des Terrariums erworbenen Persönlichkeitsstörungen überwindet.

Neben den zahllosen filmhistorischen Genrezitaten spielt „Rango“ in der Parabel von der bankrotten Wüstenstadt, deren Wasserreserven im tiefen Tal der Spekulation versickert sind, natürlich auch mit Verweisen auf den paralysierten Zustand der Wirtschaftskrisengesellschaft. Allerdings kann sich das Chamäleon als Sheriff im Kampf gegen Korruption und Bereicherung weitaus mehr Handlungsspielraum erarbeiten als seine realpolitischen Wiedergänger.

Brillant sind die Animationen, mit denen die archaische Westernwelt auf höchstem technischem Niveau zum Leben erweckt wird. Dabei geht es weniger um wilde Verfolgungsjagden im handelsüblichen Fünfzehn-Minuten-Takt, sondern um die visuelle Poesie, mit der hier etwa der Kontrast zwischen der allgegenwärtigen Trockenheit und dem Sehnsuchtsstoff Wasser ins Bild gefasst wird. Jedes Sandkorn, das durch die Ritzen rieselt, jeder Schatten, der sich auf dem Staub der Straße abzeichnet, und jeder Wassertropfen, in dem sich das Licht des heißen Tages bündelt, wird hier zu einem kleinen Pixelkunstwerk. „Rango“ zeigt eindrucksvoll, dass dem künstlerischen Gestaltungswillen im digitalen Animationsfilm in technischer Hinsicht keine Grenzen mehr gesetzt sind.

In 19 Berliner Kinos; OV im Cinestar, SonyCenter und Colosseum

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